Augsburger Bekenntnis

Das beim Reichstag zu Augsburg 1530 Kaiser Karl V übergeben wurde.

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Vorrede
1. Von Gott
2. Von der Erbsünde
3. Von dem Sohn Gottes
4. Von der Rechtfertigung
5. Vom Predigtamt
6. Vom neuen Gehorsam
7. Von der Kirche
8. Was die Kirche sei
9. Von der Taufe
10. Vom heiligen Abendmahl
11. Von der Beichte
12. Von der Buße
13. Vom Gebrauch der Sakramente
14. Vom Kirchenregiment
15. Von Kirchenordnungen
16. Von der Polizei und weltlichem Regiment
17. Von der Wiederkunft Christi zum Gericht
18. Vom freien Willen
19. Von der Ursache der Sünde
20. Vom Glauben und von guten Werken
21. Vom Dienst der Heiligen
22. Von beiderlei Gestalt des Sakrament
23. Vom Ehestand der Priester
24. Von der Messe
25. Von der Beichte
26. Vom Unterschied der Speisen
27. Von Klostergelübden
28. Von der Bischöfe Gewalt
SCHLUSS

Vorrede.

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   Allerdurchlauchtigster, großmächtigster, unüberwindlichster Kaiser, allergnädigster Herr! Als Eure Kaiserlich Majestät kurz verschienener [abgelaufener] Zeit einen gemeinen Reichstag allhier gen Augsburg gnädiglich ausgeschrieben mit Anzeige und ernstem Begehr, von Sachen, unsern und des christlichen Namens Erbfeind, den Türken, betreffend, und wie demselben mit beharrlicher Hilfe stattlich widerstanden, auch wie der Zwiespalte halben in dem heiligen Glauben und der christlichen Religion gehandelt möge werden, zu ratschlagen und Fleiss anzukehren, alle eines jeglichen Gutdünken, Opinion und Meinung zwischen uns selbst in Liebe und Gütigkeit zu hören, zu ersehen und zu erwägen und dieselben zu einer einigen christlichen Wahrheit zu bringen und zu vergleichen, alles, so zu beiden Teilen nicht recht ausgelegt oder gehandelt wäre, abzutun und durch uns alle eine einige und wahre Religion anzunehmen und zu halten, und wie wir alle unter einem Christo sind und streiten, also auch alle in einer Gemeinschaft, Kirche und Einigkeit zu leben;

   Und wir, die unten benannten Kurfürst und Fürsten samt unsern Verwandten, gleich andern Kurfürsten, Fürsten und Ständen dazu erfordert: so haben wir uns darauf dermassen erhoben, daß wir sonder Ruhm mit den ersten hierher gekommen.

   Und alsdann auch E. K. M. zu untertänigster Folgtuung berührten E. K. M. Ausschreibens und demselben gemäss dieser Sache halben, den Glauben berührend, an Kurfürsten, Fürsten, und Stände insgemein gnädiglich, auch mit höchstem Fleiss und ernstlich begehrt, daß ein jeglicher vermöge vorgemeldeten E. K. M. Ausschreibens sein Gutdünken, Opinion und Meinung derselben Irrungen, Zwiespalte und Missbräuche halben usw. zu Deutsch und Latein in Schrift stellen und überantworten sollte; darauf dann nach genommenem Bedacht und gehaltenem Rat E. K. M. an vergangenem Mittwoch ist vorgetragen worden, als wollten wir auf unserm Teil das Unsere vermöge E. K. M. Vortrags in Deutsch und Latein auf heute, Freitag, übergeben: hierum und E. K. M. zu untertänigstem Gehorsam überreichen und übergeben wir unserer Pfarrherren, Prediger und ihrer Lehren, auch unsers Glaubens Bekenntnis, was und welchergestalt sie aus Grund göttlicher Heiliger Schrift und unsern Landen, Fürstentümern, Herrschaften, Städten und Gebieten predigen, lehren, halten und Unterrlicht tun.

   Und sind gegen E. K. M., unsern allergnädigsten Herrn, wir in aller Untertänigkeit erbötig, so die andern Kurfürsten, Fürsten und Stände dergleichen gezwiesachte schriftliche Übergebung ihrer Meinung und Opinion in Latein und Deutsch jetzt auch tun werden, daß wir uns mit ihren Leibden und ihnen gern von bequemen, gleich mässigen Wegen unterreden und derselben soviel der Gleichheit nach immer möglich, vereinigen wollen, damit unser beiderseitiges, als Parte, schriftliches Vorbringen und Gebrechen zwischen uns selbst in Liebe und Gütigkeit gehandelt und dieselben Zwiespalte zu einer einigen wahren Religion, wie wir alle unter einem Christo sind und streiten und Christum bekennen sollen, alles nach Laut obgemeldeten E. K. M. Ausschreibens und nach göttlicher Wahrheit geführt mögen werden. Als [wie] wir denn auch Gott den Allmächtigen mit höchster Demut anrufen und bitten wollen, seine göttliche Gnade dazu zu verleihen. Amen.

   Wo aber bei unsern Herren, Freunden und besonders den Kurfürsten, Fürsten und Ständen des andern Teils die Handlung vermassen, wie E. K. M. Ausschreiben vermag, unter uns selbst in Liebe und Gütigkeit bequeme Handlung nicht [*vermag ("bequeme Handlung unter uns selbst in Liebe und Gütigkeit") nicht] versagen noch ersprießlich sein wollte, als doch an uns in keinem, das mit Gott und Gewissen zu christlicher Einigkeit dienstlich sein kann oder mag, erwinden soll; wie E. K. M. auch gemeldete unsere Freunde, die Kurfürsten, Fürsten, Stände und ein jeder Liebhaber christlicher Religionen, dem diese Sachen vorkommen, aus nachfolgenden unsern und der Unsern Bekenntnissen gnädiglich, um ein Konzilium fleißigen und Anhaltung tun wollten; und vor einem Jahr auf dem letzten Reichstag zu Speier vermöge einer schriftlichen Instruktion Kurfürsten, Fürsten und Ständen des Reichs, durch E. K. M. Statthalter im Reich, Königlich Würden zu Ungarn und Böhmen usw. samt E. K. M. Orator und verordneten Kommissarien dies unter andern haben vortragen und anzeigen lassen, daß E. K. M. derselben Statthalter, Amtsverwalter und Räte des kaiseum ein Konzilium fleißigen und Anhaltung tun wollten; und vor einem Jahr auf dem letzten Reichstag zu Speier vermöge einer schriftlichen Instruktion Kurfürsten, Fürsten und Ständen des Reichs, durch E. K. M. Statthalter im Reich, Königlich Würden zu Ungarn und Böhmen usw. samt E. K. M. Orator und verordneten Kommissarien dies unter andern haben vortragen und anzeigen lassen, daß E. K. M. derselben Statthalter, Amtsverwalter und Räte des kaiserlichen Regiments, auch der abwesenden Kurfürsten, Fürsten und Stände Botschafter, so auf dem ausgeschriebenen Reichstag zu Regensburg ersammelt gewesen, Gutdünken, das Generalkonzilium belangend, nachgedacht und solches anzusetzen auch für fruchtbar erkannt; und weil sich aber diese Sachen zwischen E. K. M. und dem Papst zu gutem, christlichem Verstand schicken, daß E. K. M. gewiss wäre, daß durch den [*Papst das Generalkonzilium zu halten nicht geweigert: so wäre E. K. M. gnädiges Erbieten zu fordern und zu handeln, daß der] Papst solch Generalkonzilium neben E. K. M. zum ersten auszuschreiben bewilligen und daran kein Mangel erscheinen sollte.

   So erbieten gegen E. K. M. wir uns hiemit in aller Untertänigkeit und zum Überfluss, in berührtem Fall ferner auf ein solch gemein, frei christlich Konzilium, darauf auf allen Reichstagen, so E. K. M. bei Ihrer Regierung im Reich gehalten, durch Kurfürsten, Fürsten und Stände aus hohen und tapfern Bewegungen geschlossen, an welches auch zusamt E. K M. wir uns von wegen dieser großwichtigsten Sache in rechtlicher Weise und Form verschienener [abgelaufener] Zeit berufen und appelliert haben, der wir hiemet nochmals anhängig bleiben und uns durch diese oder nachfolgende Handlung (es werden den diese zwiespaltigen Sachen endlich in Liebe und Gütigkeit, laut E. K. M. Ausschreibens, gehört, erwogen, beigelegt und zu einer christlichen Einigkeit verglichen) nicht zu begeben wissen, davon wir hiemit öffentlich bezeugen und protestieren. Und sind das unsere und der Unsern Bekenntnisse, wie unterschiedlich von Artikel zu Artikel hernach folgt.

 

I ARTIKEL DES GLAUBENS UND DER LEHRE

1. Von Gott

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   Erstens wird einträchtig gelehrt und gehalten, laut des Beschlusses Concilii Nicaeni (des Nicaenischen Konzils), daß ein einiges göttliches Wesen sei, welches Gott genannt wird und wahrhaftig [Gott] ist, und doch sind drei Personen in demselben einigen göttlichen Wesen, gleich gewaltig, gleich ewig, Gott Vater, Gott Sohn, Gott Heiliger Geist, alle drei e i n göttliches Wesen, ewig, ohne Stück, ohne Ende, von unermessener Macht, Weisheit und Güte, ein Schöpfer und Erhalter aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge. Und unter dem Wort »Persona« wird verstanden nicht ein Stück, nicht eine Eigenschaft in einem andern, sondern [etwas], das selbst besteht, wie denn die Väter in dieser Sache dies Wort gebraucht haben.

   Deshalb werden verworfen alle Ketzereien, die diesem Artikel zuwider sind, wie: Manichäer, die zwei Götter gesetzt haben, einen bösen und einen guten; ebenso Valentinianer, Arianer, Eunomianer, Mohammedaner und alle dergleichen, auch Samosatener, alte und neue, die nur e i n e Person setzen und von diesen zweien, Wort und Heiligen Geist, Sophisterei machen und sagen, daß es nicht unterschiedene Personen sein müssen, sondern »Wort« bedeute leibliches Wort oder Stimme, und der Heilige Geist sei erschaffene Regung in Kreaturen

 

2. Von der Erbsünde

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   Weiter wird bei uns gelehrt, daß nach Adams Fall alle Menschen, die natürlich geboren werden, in Sünden empfangen und geboren werden, das heißt, daß sie alle von Mutterleib an voll böser Lust und Neigung sind und keine wahre Gottesfurcht, keinen wahren Glauben an Gott von Natur aus haben können; daß dieselbe angeborene Seuche und Erbsünde auch wahrhaftig Sünde sei und alle die unter ewigen Gotteszorn verdamme, die nicht durch die Taufe und den Heiligen Geist wiederum neu geboren werden.

   Hierneben werden verworfen die Pelagianer und andere, die die Erbsünde nicht für Sünde halten, damit sie die Natur fromm mache durch natürliche Kräfte, zu Schmach dem Leiden und Verdienst Christi

 

3. Von dem Sohn Gottes

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   Ferner, es wird gelehrt, daß Gott der Sohn Mensch geworden sei, geboren aus der reinen Jungfrau Maria, und daß die zwei Naturen, die göttliche und die menschliche, in e i n e r Person also unzertrennlich vereinigt, e i n Christus sind, welcher wahrer Gott und wahrer Mensch ist, wahrhaftig geboren, gelitten, gekreuzigt, gestorben und begraben, daß er ein Opfer wäre nicht allein für die Erbsünde, sondern auch für alle andere Sünde, und Gottes Zorn versöhnte; ferner, daß derselbe Christus abgestiegen sei zur Hölle, wahrhaftig am dritten Tage von den Toten auferstanden, aufgefahren gen Himmel, sitzend zur Rechten Gottes, daß er ewig herrsche über alle Kreaturen und regiere, daß er alle, die an ihn glauben, durch den Heiligen Geist heilige, reinige, stärke und tröste, ihnen auch Leben und allerlei Gaben und Güter austeile, und wider den Teufel und wider die Sünde schütze und beschirme; ferner, daß derselbe Herr Christus endlich öffentlich kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten etc., laut des Symboli Apostolorum (Apostolischen Bekenntnisses).

 

4. Von der Rechtfertigung

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   Weiter wird gelehrt, daß wir Vergebung der Sünde und Gerechtigkeit vor Gott nicht erlangen mögen durch unser Verdienst, Werk und Genugtun, sondern daß wir Vergebung der Sünde bekommen und vor Gott gerecht werden aus Gnaden, um Christi willen, durch den Glauben, wenn wir glauben, daß Christus für uns gelitten habe, und daß uns um seinetwillen die Sünde vergeben, Gerechtigkeit und ewiges Leben geschenkt wird. Denn diesen Glauben will Gott als Gerechtigkeit vor ihm halten und zurechnen, wie St. Paulus sagt zu den Römern Kap. 3 und 4.

 

5. Vom Predigtamt

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   Solchen Glauben zu erlangen, hat Gott das Predigtamt eingesetzt, Evangelium und Sakrament gegeben, wodurch er, als durch Mittel, den heiligen Geist gibt, welcher den Glauben, wo und wann er will, in denen wirkt, die das Evangelium hören, welches da lehrt, daß wir durch Christi Verdienst, nicht durch unser Verdienst, einen gnädigen Gott haben, wenn wir solches glauben.

   Und es werden verdammt die Wiedertäufer und andere, die lehren, daß wir ohne das leibliche Wort des Evangeliums den Heiligen Geist durch eigene Bereitung, Gedanken und Werke erlangen.

 

6. Vom neuen Gehorsam

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   Auch wird gelehrt, daß solcher Glaube gute Frucht und gute Werke bringen soll, und daß man gute Werke tun müsse, allerlei, die Gott geboten hat, um Gottes willen, doch nicht auf solche Werke zu vertrauen, um dadurch Gnade vor Gott zu verdienen. Denn wir empfangen Vergebung der Sünden und Gerechtigkeit durch den Glauben an Christus, wie Christus selbst spricht: »Wenn ihr dies alles getan habt, sollt ihr sprechen: Wir sind untüchtige Knechte« (Lk 17,10). Also lehrten auch die Väter. Denn Ambrosius spricht: »Also ist es beschlossen bei Gott, daß, wer an Christus glaubt, selig sei, und nicht durch Werke, sondern allein durch den Glauben, ohne Verdienst, Vergebung der Sünden habe« (Ambrosiaster zu 1 Kor 214).

 

7. Von der Kirche

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   Es wird auch gelehrt, daß allezeit e i n e heilige, christliche Kirche sein und bleiben müsse, welche die Versammlung aller Gläubigen ist, bei welchen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut des Evangeliums gereicht werden. Denn dies ist genug zu wahrer Einigkeit der christlichen Kirchen, daß da einträchtig nach reinem Verstand (Verständnis) das Evangelium gepredigt und die Sakramente dem göttlichen Wort gemäß gereicht werden. Und es ist nicht nötig zur wahren Einigkeit der christlichen Kirche, daß allenthalben gleichförmige Zeremonien, von den Menschen eingesetzt, gehalten werden, wie Paulus spricht zu den Ephesern (4,5): »Ein Leib, ein Geist, wie ihr berufen seid zu einerlei Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe.«

 

8. Was die Kirche sei

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   Ferner, wiewohl die christliche Kirche eigentlich nichts anderes ist als die Versammlung aller Gläubigen und Heiligen, jedoch weil in diesem Leben viele falsche Christen und Heuchler, auch öffentliche Sünder unter den Frommen bleiben, so sind die Sakramente gleichwohl kräftig, obschon die Priester, wodurch sie gereicht werden, nicht fromm sind, wie denn Christus selbst anzeigt: »Auf dem Stuhl Moses sitzen die Pharisäer etc.« (Mt 23, 2).

   Deshalb werden die Donatisten und alle andern verdammt, die es anders halten.

 

9. Von der Taufe

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   Von der Taufe wird gelehrt, daß sie nötig sei, und daß dadurch Gnade angeboten werde; daß man auch die Kinder taufen soll, welche durch solche Taufe Gott überantwortet und gefällig werden.

   Deshalb werden die Wiedertäufer verworfen, welche lehren, daß die Kindertaufe nicht recht sei.

 

10. Vom heiligen Abendmahl

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   Von dem Abendmahl des Herrn wird also gelehrt, daß wahrer Leib und Blut Christi wahrhaftig unter der Gestalt des Brotes und Weines im Abendmahl gegenwärtig sei und da ausgeteilt und genommen werde.

   Deshalb wird auch die Gegenlehre verworfen.

 

11. Von der Beichte

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   Von der Beichte wird also gelehrt, daß man in der Kirche privatam absolutionem (persönliche Lossprechung) erhalten und nicht fallen lassen soll, wiewohl es in der Beichte nicht nötig ist, alle Missetaten und Sünden zu erzählen, dieweil solches doch nicht möglich ist, Psalm 18 (19, 13): »Wer kennt die Missetat?«

 

12. Von der Buße

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   Von der Buße wird gelehrt, daß diejenigen, die nach der Taufe gesündigt haben, zu aller Zeit, wenn sie zur Buße kommen, Vergebung der Sünden erlangen, und ihnen die Absolution von der Kirche nicht verweigert werden soll. Nun ist wahre rechte Buße eigentlich nichts anderes als Reue und Leid oder Schrecken über die Sünde haben, und doch daneben glauben an das Evangelium und die Absolution, daß die Sünde vergeben und durch Christus Gnade erworben sei, welcher Glaube wiederum das Herz tröstet und zufrieden macht. Danach soll auch Besserung folgen, und daß man von Sünden lasse; denn dies sollen die Früchte der Buße sein, wie Johannes [der Täufer] spricht Mt 3, 8: »Wirket rechtschaffene Frucht der Buße.«

   Hier werden verworfen die, welche lehren, daß diejenigen, die einstmals fromm geworden sind, nicht wieder fallen können. Dagegen werden auch verdammt die Novatianer, welche die Absolution denen, die nach der Taufe gesündigt hatten, verweigerten. Auch werden die verworfen, die nicht lehren, daß man durch Glauben Vergebung der Sünde erlange, sondern durch unser Genugtun.

 

13. Vom Gebrauch der Sakramente

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   Vom Gebrauch der Sakramente wird gelehrt, daß die Sakramente eingesetzt sind nicht allein darum daß sie Zeichen seien, woran man äußerlich die Christen erkennen möge, sondern daß es Zeichen und Zeugnisse des göttlichen Willens für uns seien, unsern Glauben dadurch zu erwecken und zu stärken, weshalb sie auch Glauben fordern und dann recht gebraucht werden, wenn man sie im Glauben empfängt und den Glauben dadurch stärkt.

 

14. Vom Kirchenregiment

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   Vom Kirchenregiment wird gelehrt, daß niemand in der Kirche öffentlich lehren oder predigen oder Sakramente reichen soll ohne ordentliche Berufung.

 

15. Von Kirchenordnungen

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   Von Kirchenordnungen, von Menschen gemacht, lehrt man diejenigen zu halten, die ohne Sünde gehalten werden können und zu Frieden und guter Ordnung in der Kirche dienen, wie gewisse Feiern, Feste und dergleichen. Doch geschieht Unterricht dabei, daß man die Gewissen nicht damit beschweren soll, als sei solch Ding nötig zur Seligkeit. Darüberhinaus wird gelehrt, daß alle Satzungen und Traditionen, von Menschen dazu gemacht, daß man dadurch Gott versöhne und Gnade verdiene, dem Evangelium und der Lehre vom Glauben an Christus entgegen sind. Deshalb sind Klostergelübde und andere Traditionen vom Unterschied der Speise, Tage etc., wodurch man vermeint, Gnade zu verdienen und für Sünde genugzutun, untüchtig und wider das Evangelium.

 

16. Von der Polizei und weltlichem Regiment

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   Von Polizei und weltlichem Regiment wird gelehrt, daß alle Obrigkeit in der Welt und geordnetes Regiment und Gesetze gute Ordnung, von Gott geschaffen und eingesetzt sind, und daß Christen in Obrigkeit, Fürsten- und Richteramt ohne Sünde sein, nach kaiserlichen und anderen üblichen Rechten Urteil und Recht sprechen, Übeltäter mit dem Schwert strafen, rechte Kriege führen, streiten, kaufen und verkaufen, aufgelegte Eide tun, Eigenes (Eigentum) haben, ehelich sein etc. dürfen.

   Hier werden verdammt die Wiedertäufer, die lehren, daß der oben angezeigten [Dinge] keines christlich sei. Auch werden diejenigen verdammt, die lehren, daß christliche Vollkommenheit sei, Haus und Hof, Weib und Kind leiblich zu verlassen und sich der berührten (genannten) Stücke zu entäußern; da doch dies allein rechte Vollkommenheit ist: rechte Furcht Gottes und rechter Glaube an Gott. Denn das Evangelium lehrt nicht ein äußerliches, zeitliches, sondern innerliches, ewiges Wesen und Gerechtigkeit des Herzens und stößt weltliches Regiment, Polizei und Ehestand nicht um, sondern will, daß man solches alles halte als wahrhaftige Gottesordnung, und in solchen Ständen christliche Liebe und rechte gute Werke, ein jeder nach seinem Beruf, beweise. Deshalb sind die Christen schuldig, der Obrigkeit untertan und ihren Geboten und Gesetzen gehorsam zu sein in allem, was ohne Sünde geschehen kann. Denn wenn der Obrigkeit Gebot ohne Sünde nicht geschehen kann, soll man Gott mehr gehorsam sein als den Menschen Apg 5, 29.

 

17. Von der Wiederkunft Christi zum Gericht

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   Auch wird gelehrt, daß unser Herr Jesus Christus am jüngsten Tage kommen wird, zu richten und alle Toten aufzuerwecken, den Gläubigen und Auserwählten ewiges Leben und ewige Freude geben, die gottlosen Menschen aber und die Teufel in die Hölle und ewige Strafe verdammen [wird].

   Deshalb werden die Wiedertäufer verworfen, die lehren, daß die Teufel und verdammten Menschen nicht ewige Pein und Qual haben werden. Ferner werden hier auch etliche jüdische Lehren verworfen, die sich auch jetzt eräugen (verbreiten), daß vor der Auferstehung der Toten eitel Heilige, Fromme ein weltliches Reich haben und alle Gottlosen vertilgen werden.

 

18. Vom freien Willen

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   Vom freien Willen wird also gelehrt, daß der Mensch etlichermaß (einigermaßen) einen freien Willen hat, äußerlich ehrbar zu leben und zu wählen unter den Dingen, die die Vernunft begreift; aber ohne Gnade, Hilfe und Wirkung des Heiligen Geistes vermag der Mensch nicht, Gott gefällig zu werden, Gott herzlich zu fürchten, oder zu glauben, oder die angeborenen bösen Lüste aus dem Herzen zu werfen. Sondern solches geschieht durch den Heiligen Geist, welcher durch Gottes Wort gegeben wird. Denn Paulus spricht 1 Kor 2, 14: »Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes.«

   Und damit man erkennen möge, daß hiermit keine Neuigkeit gelehrt wird, so sind das die klaren Worte Augustins vom freien Willen, hier beigeschrieben aus dem dritten Buch Hypognostikon: »Wir bekennen, daß in allen Menschen ein freier Wille ist; denn sie haben ja alle natürlich angeborenen Verstand und Vernunft, nicht daß sie etwas mit Gott zu handeln vermögen, wie: Gott von Herzen zu lieben, zu fürchten, sondern allein in äußerlichen Werken dieses Lebens haben sie Freiheit, Gutes oder Böses zu wählen. Mit gut meine ich, was die Natur vermag, wie: auf dem Acker zu arbeiten oder nicht, zu essen, zu trinken, zu einem Freund zu gehen oder nicht, ein Kleid an- oder auszutun, zu bauen, ein Weib zu nehmen, ein Handwerk zu treiben und dergleichen etwas Nützliches und Gutes zu tun. Welches alles doch ohne Gott nicht ist noch besteht, sondern alles aus ihm und durch ihn ist. Dagegen kann der Mensch auch Böses aus eigener Wahl vornehmen wie: vor einem Abgott niederknien, einen Totschlag tun etc.«

 

19. Von der Ursache der Sünde

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   Von der Ursache der Sünde wird bei uns gelehrt, daß, wiewohl Gott der Allmächtige die ganze Natur geschaffen hat und erhält, so wirkt doch der verkehrte Wille die Sünde in allen Bösen und Verächtern Gottes, wie es denn des Teufels und aller Gottlosen Wille ist, welcher alsbald, da Gott die Hand abgetan, sich von Gott zum Argen gewandt hat, wie Christus spricht Joh 8,44: »Der Teufel redet Lügen aus seinem Eigenen.«

 

20. Vom Glauben und von guten Werken

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   Den Unsern wird mit Unwahrheit aufgelegt (zu Unrecht nachgesagt), daß sie gute Werke verbieten. Denn ihre Schriften von den zehn Geboten und andere beweisen, daß sie von rechten christlichen Ständen und Werken guten, nützlichen Bericht und Ermahnung getan haben, wovon man vor dieser Zeit wenig gelehrt hat, sondern allermeist in allen Predigten auf kindische, unnötige Werke, wie Rosenkränze, Heiligendienst, Mönchwerden, Wallfahrten, festgesetzte Fasten, Feiern, Bruderschaften etc. getrieben. Solche unnötigen Werke rühmt auch unser Widerpart nun nicht mehr so hoch wie vorzeiten. Dazu haben sie auch gelernt, nun vom Glauben zu reden, wovon sie doch in Vorzeiten gar nichts gepredigt haben; lehren dennoch nun, daß wir nicht allein aus Werken gerecht werden vor Gott, sondern setzen den Glauben an Christus dazu, sprechen: Glaube und Werke machen uns gerecht vor Gott; welche Rede etwas mehr Trost bringen mag, als wenn man allein lehrt, aufs Werk zu vertrauen.

   Weil nun die Lehre vom Glauben, die das Hauptstück ist in christlichem Wesen, so lange Zeit, wie man bekennen muß, nicht getrieben worden, sondern allein Werklehre an allen Orten gepredigt [worden ist], ist davon durch die Unseren solcher Unterricht geschehen:

   Erstens, daß unsere Werke nicht mit Gott versöhnen und Gnade erwerben können, sondern solches geschieht allein durch den Glauben, wenn man glaubt, daß uns um Christi willen die Sünden vergeben werden, welcher allein der Mittler ist, den Vater zu versöhnen. Wer nun solches vermeint durch Werke auszurichten und Gnade zu verdienen, der verachtet Christus und sucht einen eigenen Weg zu Gott wider das Evangelium.

   Diese Lehre vom Glauben ist öffentlich und klar bei Paulus an vielen Orten behandelt, besonders an die Epheser 2? 8: »Aus Gnaden seid ihr selig geworden durch den Glauben, und dasselbe nicht aus euch, sondern es ist Gottes Gabe, nicht aus Werken, damit sich niemand rühme etc.«

   Und daß hierin kein neues Verständnis eingeführt sei, kann man aus Augustinus beweisen, der diese Sache fleißig behandelt und auch also lehrt, daß wir durch den Glauben an Christus Gnade erlangen und vor Gott gerecht werden, und nicht durch Werke, wie sein ganzes Buch »De Spiritu et Litera« (Über den Geist und den Buchstaben) ausweist.

   Wiewohl nun diese Lehre bei unversuchten Leuten sehr verachtet wird, so befindet (erweist) sich doch, daß sie den blöden (zaghaften) und erschrockenen Gewissen sehr tröstlich und heilsam ist. Denn das Gewissen kann nicht zu Ruhe und Frieden kommen durch Werke, sondern allein durch Glauben, wenn es bei sich gewißlich schließt (feststellt), daß es um Christi willen einen gnädigen Gott habe, wie auch Paulus spricht Röm 5,1: »So wir durch den Glauben sind gerecht geworden, haben wir Ruhe und Frieden vor Gott.« Diesen Trost hat man vorzeiten nicht getrieben in Predigten, sondern die armen Gewissen auf eigene Werke getrieben, und es sind mancherlei Werke vorgenommen [worden]. Denn etliche hat das Gewissen in die Klöster gejagt, in der Hoffnung, daselbst Gnade zu erwerben durch Klosterleben. Etliche haben andere Werke erdacht, damit Gnade zu verdienen und für Sünde genugzutun. Viele derselben haben erfahren, daß man dadurch nicht zum Frieden gekommen ist. Darum ist es nötig gewesen, diese Lehre vom Glauben an Christus zu predigen und fleißig zu betreiben, damit man wisse, daß man allein durch Glauben, ohne Verdienst, Gottes Gnade ergreift.

   Es geschieht auch Unterricht, daß man hier nicht von solchem Glauben redet, den auch die Teufel und Gottlosen haben, die auch die Historien glauben (Jak 2,19), daß Christus gelitten habe und auferstanden sei von den Toten; sondern man redet vom wahren Glauben, der da glaubt, daß wir durch Christus Gnade und Vergebung der Sünde erlangen.

   Und wer nun weiß, daß er einen gnädigen Gott durch Christus hat, kennt also Gott, ruft ihn an und ist nicht ohne Gott wie die Heiden. Denn Teufel und Gottlose glauben diesen Artikel, Vergebung der Sünde, nicht; darum sind sie Gott Feind, können ihn nicht anrufen, nichts Gutes von ihm hoffen. Und also wie jetzt angezeigt ist, redet die Schrift vom Glauben, und heißt nicht Glauben ein solches Wissen, das Teufel und gottlose Menschen haben. Denn also wird vom Glauben gelehrt Hebr. 11,1, daß Glauben sei (bedeute): nicht allein die Historien wissen, sondern Zuversicht haben zu Gott, seine Zusage zu empfangen. Und Augustinus erinnert uns auch, daß wir das Wort »Glauben« in der Schrift verstehen sollen, daß es heiße: Zuversicht zu Gott, daß er uns gnädig sei, und heiße nicht allein: solche Historien wissen, wie auch die Teufel wissen.

   Ferner wird gelehrt, daß gute Werke geschehen sollen und müssen, nicht daß man darauf vertraue, Gnade damit zu verdienen, sondern um Gottes willen und Gott zu Lobe. Der Glaube ergreift allezeit allein Gnade und Vergebung der Sünde. Und weil durch den Glauben der Heilige Geist gegeben wird, so wird auch das Herz geschickt, gute Werke zu tun. Denn vorher, weil es ohne den Heiligen Geist ist, so ist es zu schwach; dazu ist es in des Teufels Gewalt, der die arme menschliche Natur zu viel Sünden treibt, wie wir sehen bei den Philosophen, welche sich unterstanden (versucht haben), ehrlich und unsträflich zu leben, haben aber dennoch solches nicht ausgerichtet, sondern sind in viele große öffentliche Sünden gefallen. Also geht es mit dem Menschen, wenn er außerhalb des rechten Glaubens ohne den Heiligen Geist ist und sich allein durch eigene menschliche Kraft regiert.

   Deshalb ist diese Lehre vom Glauben nicht zu schelten, daß sie gute Werke verbiete, sondern vielmehr zu rühmen, daß sie lehre, gute Werke zu tun, und Hilfe anbiete, wie man zu guten Werken kommen möge. Denn außerhalb des Glaubens und außerhalb Christi ist menschliche Natur und Vermögen viel zu schwach, gute Werke zu tun, Gott anzurufen, Geduld zu haben im Leiden, den Nächsten zu lieben, befohlene Ämter fleißig auszurichten, gehorsam zu sein, böse Lust zu meiden etc. Solche hohen und rechten Werke können nicht geschehen ohne die Hilfe Christi, wie er selber spricht Joh 15,5: »Ohne mich könnt ihr nichts tun.«

 

21. Vom Dienst der Heiligen

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   Vom Heiligendienst wird von den Unseren also gelehrt, daß man der Heiligen gedenken soll, auf daß wir unsern Glauben stärken, wenn wir sehen, wie ihnen Gnade widerfahren, auch wie ihnen durch Glauben geholfen [worden] ist; dazu, daß man Exempel nehme von ihren guten Werken, ein jeder nach seinem Beruf, gleichwie Kaiserliche Majestät selig und göttlich dem Exempel Davids folgen mag, Krieg wider den Türken zu führen; denn beide sind sie in königlichem Amt, welches Schutz und Schirm ihrer Untertanen fordert. Durch Schrift aber kann man nicht beweisen, daß man die Heiligen anrufen oder Hilfe bei ihnen suchen soll. »Denn es ist allein ein einziger Versöhner und Mittler gesetzt zwischen Gott und Menschen, Jesus Christus« (1 Tim 2,5), welcher der einzige Heiland, der einzige oberste Priester, Gnadenstuhl und Fürsprecher vor Gott ist (Röm 8,34). Und der hat allein zugesagt, daß er unser Gebet erhören wolle. Das ist auch der höchste Gottesdienst nach der Schrift, daß man denselben Jesus Christus in allen Nöten und Anliegen von Herzen suche und anrufe: »So jemand sündigt, haben wir einen Fürsprecher bei Gott, der gerecht ist, Jesus etc.« (1 Joh 2,1).

   Dies ist fast (völlig) die Summe der Lehre, welche in unseren Kirchen zu rechtem christlichen Unterricht und Trost der Gewissen, auch zur Besserung der Gläubigen gepredigt und gelehrt ist; wie wir denn unsere eigene Seele und Gewissen ja nicht gern wollten vor Gott mit Mißbrauch des göttlichen Namens oder Wortes in die höchste größte Gefahr setzen, oder auf unsere Kinder und Nachkommen eine andere Lehre, als die, die dem reinen göttlichen Wort und christlicher Wahrheit gemäß [ist], fällen (kommen lassen) oder vererben. So denn dieselbe in Heiliger Schrift klar gegründet, und dazu allgemeiner christlicher, ja auch römischer Kirche, soviel aus der Väter Schriften zu vermerken, nicht zuwider noch entgegen ist, so achten wir auch (sind der Meinung), unsere Widersacher können in oben angezeigten Artikeln nicht uneinig mit uns sein. Deshalb handeln diejenigen ganz unfreundlich, geschwind und wider alle christliche Einigkeit und Liebe, die die Unseren deshalb als Ketzer abzusondern, zu verwerfen und zu meiden, sich selbst ohne einigen beständigen Grund göttlicher Gebote oder Schrift vornehmen. Denn die Irrung und Zank ist vornehmlich über etliche Traditionen und Mißbräuche. So denn nun an den Hauptartikeln kein befindlicher Ungrund (fehlende Begründung) oder Mangel, und dies unser Bekenntnis göttlich und christlich ist, sollten sich billig die Bischöfe, wenn schon bei uns der Tradition halber ein Mangel wäre, gelinder erzeigen, wiewohl wir hoffen, beständigen Grund und Ursache darzutun, warum bei uns etliche Traditionen und Mißbräuche geändert sind.

 

 

II ARTIKEL, VON WELCHEN ZWIESPALT IST,
WO AUFGEZÄHLT WERDEN DIE MISSBRÄUCHE, DIE GEÄNDERT SIND

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   Wenn nun von den Artikeln des Glaubens in unseren Kirchen nicht wider die Heilige Schrift oder die allgemeine christliche Kirche gelehrt wird, sondern allein etliche Mißbräuche geändert sind, welche zum Teil mit der Zeit selbst eingerissen, zum Teil mit Gewalt aufgerichtet [sind], fordert unsere Notdurft (Notwendigkeit), dieselben zu erzählen (aufzuzählen) und Ursache anzuzeigen, warum hierin Änderung geduldet ist, damit Kaiserliche Majestät erkennen möge, daß hierin nicht unchristlich oder freventlich gehandelt [ist], sondern daß wir durch Gottes Gebot, welches billig höher zu achten [ist] als alle Gewohnheit, gedrungen sind, solche Änderung zu gestatten.

 

22. Von beiderlei Gestalt des Sakrament

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   Den Laien wird bei uns beiderlei Gestalt des Sakrament gereicht, aus dieser Ursache: Denn dies ist ein klarer Befehl und Gebot Christi, Mt 26, 27: »Trinket alle daraus!«. Da gebietet Christus mit klaren Worten von dem Kelch, daß sie alle daraus trinken sollen. Und damit niemand diese Worte anfechten und glossieren (auslegen) könne, als gehöre es den Priestern allein zu, so zeigt Paulus 1 Kor 11,26 an, daß die ganze Versammlung der Korintherkirche beiderlei Gestalt gebraucht hat. Und dieser Brauch ist lange Zeit in der Kirche geblieben, wie man durch die Historie und der Väter Schriften beweisen kann. Cyprianus (gest. 258) gedenkt (erwähnt) an vielen Orten, daß zu der Zeit den Laien der Kelch gereicht sei. So spricht Sankt Hieronymus (gest. 420), daß die Priester, die das Sakrament reichen, dem Volk das Blut Christi austeilen. So gebietet Gelasius, der Papst (gest. 496) selbst, daß man das Sakrament nicht teilen soll. Man findet auch nirgends einen Kanon, der da gebietet, allein e i n e Gestalt zu nehmen. Es kann auch niemand wissen, wann oder durch wen diese Gewohnheit, eine Gestalt zu nehmen, eingeführt [worden] ist, wiewohl der Kardinal Cusanus (gest. 1464) gedenkt (erwähnt), wann diese Weise approbiert sei. Nun ist öffentlich (ganz klar), daß solche Gewohnheit, wider Gottes Gebot, auch wider die alten Canones eingeführt, unrecht ist. Deshalb hat sich nicht gebührt, derjenigen Gewissen, die das heilige Sakrament nach Christi Einsetzung zu gebrauchen begehrt haben, zu beschweren und sie zu zwingen, wider unseres Herrn Christi Ordnung zu handeln. Und weil die Teilung des Sakraments der Einsetzung Christi entgegen ist, wird auch bei uns die gewöhnliche Prozession mit dem Sakrament unterlassen.

 

23. Vom Ehestand der Priester

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   Es ist bei jedermann, hohen und niederen Standes, eine große, mächtige Klage in der Welt gewesen von großer Unzucht und wildem Wesen und Leben der Priester, die nicht vermochten, Keuschheit zu halten, und es war auch je mit solchen greulichen Lastern aufs höchste gekommen. Soviel häßliches, großes Ärgernis, Ehebruch und andere Unzucht zu vermeiden, haben sich etliche Priester bei uns in den ehelichen Stand begeben. Dieselben zeigen diese Ursache an, daß sie dahin gedrängt und bewegt [worden] seien aus hoher Not ihrer Gewissen, nachdem die Schrift klar meldet, der eheliche Stand sei von Gott dem Herrn eingesetzt, Unzucht zu vermeiden, wie Paulus sagt: »Die Unzucht zu vermeiden habe ein jeglicher sein eigenes Eheweib«, ferner: »Es ist besser, ehelich werden als brennen« (1 Kor 7,2 u. 9). Und nachdem Christus sagt Mt 19,11: »Sie fassen nicht alle das Wort«, da zeigt Christus an, welcher wohl gewußt [hat], was am Menschen sei, daß wenige Leute die Gabe, keusch zu leben, haben. »Denn Gott hat den Menschen, Männlein und Fräulein, geschaffen« 1 Mose 1, 27. Ob es nun in menschlicher Macht oder Vermögen sei, ohne besondere Gabe und Gnade Gottes, durch eigenes Vornehmen oder Gelübde, Gottes, der hohen Majestät, Geschöpf besser zu machen oder zu ändern, hat die Erfahrung allzu klar gegeben. Denn was an Gutem, was an ehrbarem, züchtigem Leben, was an christlichem, ehrlichem oder redlichem Wandel bei vielen daraus folgt, wie greuliche, schreckliche Unruhe und Qual ihrer Gewissen viele an ihrem letzten Ende deshalb gehabt [haben], ist am Tage, und ihrer viele haben es selbst bekannt. Wenn denn Gottes Wort und Gebot durch kein menschliches Gelübde oder Gesetz geändert werden kann, haben aus diesen und anderen Ursachen und Gründen die Priester und andere Geistliche Eheweiber genommen.

   So ist es auch aus den Historien und der Väter Schriften zu beweisen, daß in der christlichen Kirche vor alters der Brauch gewesen [ist], daß die Priester und Diakone Eheweiber gehabt [haben]. Darum sagt Paulus 1 Tim 3,2: »Es soll ein Bischof unsträflich sein, e i n e s Weibes Mann«. Es sind auch in deutschen Landen erst vor vierhundert Jahren die Priester vom Ehestand mit Gewalt zum Gelübde der Keuschheit abgedrungen (gezwungen worden), welche sich auch sämtlich so ganz ernstlich und hart widersetzt haben, daß ein Erzbischof zu Mainz, welcher das päpstliche neue Edikt deshalb verkündigte, beinahe in einer Empörung der ganzen Priesterschaft in einem Gedränge umgebracht [worden] wäre (Siegfried von Mainz 1075). Und dasselbe Verbot ist bald im Anfang so geschwind und unschicklich vorgenommen [worden], daß der Papst zu der Zeit nicht allein die künftige Ehe den Priestern verboten [hat], sondern auch diejenigen Ehen, die schon in dem Stande lange gewesen [waren], zerrissen, welches doch nicht allein wider alle göttlichen, natürlichen und weltlichen Rechte, sondern auch den Canones (Rechtssätzen), die die Päpste selbst gemacht [hatten], und den berühmtesten Konzilien ganz entgegen und zuwider ist.

   Auch ist bei vielen hohen, gottesfürchtigen, verständigen Leuten der gleichen Rede und Bedenken oft gehört [worden], daß solch gedrungener (erzwungener) Zölibat und Beraubung des Ehestandes, welchen Gott selbst eingesetzt und freigelassen [hat], nie etwas Gutes, sondern viele große, böse Laster und viel Arges eingeführt habe. Es hat auch einer von den Päpsten, Pius II. (gest. 1464) selbst, wie seine Historie anzeigt, diese Worte oft geredet und von sich schreiben lassen: Es möge wohl etliche Ursachen haben, warum den Geistlichen die Ehe verboten sei; es habe aber viel höhere, größere und wichtigere Ursache, warum man ihnen die Ehe wieder frei lassen sollte. Unzweifelhaft, es hat Papst Pius als ein verständiger, weiser Mann dies Wort aus großem Bedenken geredet. Deshalb wollen wir uns in Untertänigkeit zu Kaiserlicher Majestät vertrösten, daß Ihre Majestät als ein christlicher, hochlöblicher Kaiser gnädig beherzigen werden, daß jetzt in den letzten Zeiten und Tagen, von welchen die Schrift meldet, die Welt immer ärger und die Menschen gebrechlicher und schwächer werden.

   Deshalb ist es wohl hochnötig, nützlich und christlich, diese fleißige Einsehung zu tun (einsichtig zu sein), damit, wenn der Ehestand verboten [ist], nicht ärgere und schändlichere Unzucht und Laster in deutschen Landen einreißen möchten. Denn es wird diese Sache niemand je weiser oder besser ändern oder machen können als Gott selbst, welcher den Ehestand, menschlicher Gebrechlichkeit zu helfen und Unzucht zu wehren, eingesetzt hat.

   So sagen die alten Canones (Rechtssätze) auch, man müsse zuzeiten die Schärfe und rigorem (Starrheit) lindern und nachlassen, um menschlicher Schwachheit willen und um Ärgeres zu verhüten und zu meiden. Nun wäre das in diesem Falle auch wohl christlich und ganz hoch vonnöten. Was kann auch der Priester und der Geistlichen Ehestand der allgemeinen christlichen Kirche nachteilig sein, besonders der Pfarrer und anderer, die der Kirche dienen sollen? Es wird wohl künftig an Priestern und Pfarrern mangeln, wenn dies harte Verbot des Ehestandes länger währen sollte.

   Da nun dieses, nämlich daß die Priester und Geistlichen ehelich werden können, gegründet ist auf das göttliche Wort und Gebot, dazu die Historien beweisen, daß die Priester ehelich gewesen [sind], da auch das Gelübde der Keuschheit so viel häßliches unchristliches Ärgernis, so viel Ehebruch, schreckliche, unerhörte Unzucht und greuliche Laster angerichtet hat, daß auch etliche redliche unter den Domherrn, auch etliche Kurtisane zu Rom solches oft selbst bekannt und kläglich angezogen (dargelegt haben), wie solches Laster im Klerus zu greulich und übermächtig [sei und] Gottes Zorn würde erregt werden: so ist es je erbärmlich, daß man den christlichen Ehestand nicht allein verboten, sondern ihn an etlichen Orten aufs geschwindeste, wie um großer Übeltat willen, zu strafen sich unterstanden hat, wo doch Gott in der Heiligen Schrift den Ehestand in allen Ehren zu haben (halten) geboten hat. So ist auch der Ehestand in kaiserlichen Rechten und in allen Monarchien, wo je Gesetz und Recht gewesen [sind], hoch gelobt. Allein zu dieser Zeit beginnt man die Leute unschuldig, allein um der Ehe willen, zu martern, und noch dazu Priester, die man vor anderen schonen sollte; und [dies] geschieht nicht allein wider göttliches Recht, sondern auch wider die Canones. Paulus, der Apostel, nennt 1 Tim 4,1 u. 3 die Lehren, die die Ehe verbieten, Teufelslehren. So sagt Christus selbst Joh 8,44, der Teufel sei ein Mörder von Anbeginn, welches denn wohl damit zusammenstimmt daß es freilich Teufelslehren sein müssen, die die Ehe verbieten und sich unterstehen solche Lehre mit Blutvergießen zu erhalten.

   Wie aber kein menschliches Gesetz Gottes Gebot wegtun oder ändern kann, also kann auch kein Gelübde Gottes Gebot ändern. Darum gibt auch St. Cyprianus den Rat, daß die Weiber, die die gelobte Keuschheit nicht halten, ehelich werden sollen, und sagt Epist 11 also: »Wenn sie aber Keuschheit nicht halten wollen oder nicht vermögen, so ist?s besser, daß sie ehelich werden, als daß sie durch ihre Lust ins Feuer fallen, und sollen sich wohl vorsehen, daß sie den Brüdern und Schwestern kein Ärgernis anrichten.«

   Zudem, so brauchen auch alle Canones große Gelindigkeit und Äquität (Billigkeit) gegen diejenigen, die in der Jugend Gelübde getan [haben], wie denn Priester und Mönche meistenteils in der Jugend in solchen Stand aus Unwissenheit gekommen sind.

 

24. Von der Messe

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   Man legt den Unsern mit Unrecht auf (wirft. . . vor), daß sie die Messe abgetan haben sollen. Denn das ist offensichtlich, daß die Messe, ohne Ruhm zu reden, bei uns mit größerer Andacht und Ernst gehalten wird als bei den Widersachern. So werden auch die Leute mit höchstem Fleiß zum öfteren Mal unterrichtet vom heiligen Sakrament, wozu es eingesetzt und wie es zu gebrauchen sei, nämlich die erschrockenen Gewissen damit zu trösten, wodurch das Volk zur Kommunion und Messe gezogen wird. Dabei geschieht auch Unterricht wider andere unrechte Lehre vom Sakrament. So ist auch in den öffentlichen Zeremonien der Messe keine merkliche Änderung geschehen, außer daß an etlichen Orten deutsche Gesänge, um das Volk damit zu lehren und zu üben, neben lateinischem Gesang gesungen werden, zumal alle Zeremonien vornehmlich dazu dienen sollen, daß das Volk daran lerne, was ihm von Christus zu wissen notwendig ist.

   Nachdem aber die Messe auf mancherlei Weise vor dieser Zeit mißbraucht [wurde], wie am Tage ist, so daß ein Jahrmarkt daraus gemacht [worden ist], daß man sie gekauft und verkauft hat und den größeren Teil in allen Kirchen um Geldes willen gehalten [hat], ist solcher Mißbrauch zu mehreren Malen, auch vor dieser Zeit, von gelehrten und frommen Leuten gestraft worden. Als nun die Prediger bei uns davon gepredigt [haben] und die Priester an die schreckliche Bedrohung erinnert [worden] sind, die denn billig einen jeden Christen bewegen soll, daß, wer das Sakrament unwürdig gebraucht, der sei schuldig an Leib und Blut Christi, darauf sind solche Kaufmessen und Winkelmessen, welche bisher aus Zwang um Geldes und der Präbenden (Stiftungen) willen gehalten worden [sind], in unsern Kirchen gefallen.

   Dabei ist auch der greuliche Irrtum gestraft, daß man gelehrt hat, unser Herr Christus habe durch seinen Tod allein für die Erbsünde genuggetan und die Messe eingesetzt zu einem Opfer für die anderen Sünden, und also die Messe zu einem Opfer gemacht für die Lebendigen und Toten, dadurch Sünden wegzunehmen und Gott zu versöhnen. Daraus ist weiter gefolgt, daß man disputiert hat ob eine Messe, für viele gehalten, ebensoviel verdiene (Verdienste schaffe), als wenn man für einen jeglichen eine besondere hielte. Daher ist die große unzählige Menge der Messen gekommen, daß man mit diesem Werk bei Gott hat alles erlangen wollen, dessen man bedurft hat, und daneben ist der Glaube an Christus und der rechte Gottesdienst vergessen worden. Darum ist davon Unterricht geschehen, wie ohne Zweifel die Not gefordert [hat], daß man wüßte, wie das Sakrament recht zu gebrauchen wäre.

   Und erstens: daß kein Opfer für Erbsünde und andere Sünde da sei als der alleinige Tod Christi, zeigt die Schrift an vielen Orten an. Denn also steht geschrieben Hebräer 9,26, daß sich Christus einma1 geopfert und dadurch für alle Sünde genuggetan hat. Es ist gar eine unerhörte Neuigkeit in der Kirchenlehre, daß Christi Tod allein für die Erbsünde, und nicht auch für andere Sünde sonst, genuggetan haben sollte. Deshalb [ist] zu hoffen, daß männiglich (jedermann) verstehe, daß solcher Irrtum nicht unbillig gestraft sei.

   Zum andern, so lehrt St. Paul, daß wir vor Gott Gnade erlangen durch Glauben und nicht durch Werke. Dawider ist öffentlich (richtet sich offensichtlich) dieser Mißbrauch der Messe, wenn man vermeint, durch dieses Werk Gnade zu erlangen, wie man denn weiß, daß man die Messe dazu gebraucht, dadurch Sünde abzulegen und Gnade und alle Güter bei Gott zu erlangen; nicht allein der Priester für sich, sondern auch für die ganze Welt und für andere, Lebendige und Tote.

   Zum dritten, so ist das heilige Sakrament eingesetzt, nicht um damit für die Sünde ein Opfer anzurichten - denn das Opfer ist zuvor (durch Christus) geschehen - sondern daß unser Glaube dadurch erweckt und die Gewissen getröstet werden, welche durchs Sakrament vernehmen, daß ihnen Gnade und Vergebung der Sünde von Christus zugesagt ist. Deshalb fordert dies Sakrament Glauben und wird ohne Glauben vergeblich gebraucht.

   Weil nun die Messe nicht ein Opfer ist für andere, Lebendige oder Tote, ihre Sünde wegzunehmen, sondern eine Kommunion sein soll, da der Priester und andere das Sakrament für sich empfangen, so wird diese Weise bei uns gehalten, daß man an Feiertagen, auch sonst, wenn Kommunikanten da sind, Messe hält und etliche, die das begehren, kommuniziert. Also bleibt bei uns die Messe in ihrem rechten Brauch, wie sie vorzeiten in der Kirche gehalten [wurde], wie man beweisen kann aus St. Paul 1 Kor 11, dazu auch aus vieler Väter Schriften. Denn Chrysostomus (gest. 407) spricht davon, wie der Priester täglich stehe und fordere etliche zur Kommunion auf, etlichen verbiete er hinzuzutreten. Auch zeigen die alten Canones an, daß einer das Amt gehalten und die anderen Priester und Diakonen kommuniziert hat. Denn also lauten die Worte im Kanon (18) des Nicänums: Die Diakonen sollen nach den Priestern ordentlich das Sakrament empfangen vom Bischof oder Priester.

   Wenn man nun hierin keine Neuerung, die in der Kirche vor alters nicht gewesen [ist], vorgenommen hat, auch in den öffentlichen Zeremonien der Messen keine merkliche Änderung geschehen [ist], allein daß die anderen unnötigen Messen, etwa durch einen Mißbrauch neben der Pfarrmesse gehalten weggefallen sind, soll billig diese Weise, Messe zu halten, nicht als ketzerisch und unchristlich verdammt werden. Denn man hat vorzeiten auch in den großen Kirchen, wo viel Volks gewesen ist, auch auf die Tage, wo das Volk zusammenkam, nicht täglich Messe gehalten, wie die »Tripartita historiae« Buch 9 anzeigt, daß man zu Alexandria am Mittwoch und Freitag die Schrift gelesen und ausgelegt und sonst alle Gottesdienste gehalten habe ohne die Messe.

 

25. Von der Beichte

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   Die Beichte ist durch die Prediger dieses Teils (der Evangelischen) nicht abgetan. Denn diese Gewohnheit wird bei uns gehalten, das Sakrament nicht zu reichen denen, die nicht zuvor verhört und absolviert sind. Dabei wird das Volk fleißig unterrichtet, wie tröstlich das Wort der Absolution sei, wie hoch und teuer die Absolution zu achten[sei]. Denn es sei nicht des gegenwärtigen Menschen Stimme oder Wort, sondern Gottes Wort, der die Sünde vergibt. Denn sie wird an Gottes Statt und aus Gottes Befehl gesprochen. Von diesem Befehl und Gewalt der Schlüssel, wie tröstlich, wie nötig sie sei den erschrockenen Gewissen, wird mit großem Fleiß gelehrt; dazu, wie Gott fordert, dieser Absolution zu glauben, nicht weniger, als wenn Gottes Stimme vom Himmel erschölle, und uns der Absolution fröhlich zu trösten und zu wissen, daß wir durch solchen Glauben Vergebung der Sünde erlangen. Von diesen nötigen Stücken haben vorzeiten die Prediger, die von der Beichte viel lehrten, nicht ein Wörtlein berührt, sondern allein die Gewissen mit langer Erzählung der Sünden, mit Genugtun, mit Ablaß, mit Wallfahrten und dergleichen gemartert. Und viele unserer Widersacher bekennen selbst, daß dieses Teils (bei uns) von rechter christlicher Buße schicklicher als zuvor in langer Zeit geschrieben und gehandelt sei.

   Und es wird von der Beichte also gelehrt, daß man niemanden drängen soll, die Sünden namhaftig zu erzählen (namentlich aufzuzählen). Denn solches ist unmöglich, wie der Psalm 19, 13 spricht: »Wer kennet die Missetat?« Und Jeremias 17,9 sagt: »Des Menschen Herz ist so arg, daß man?s nicht auslernen kann.« Die elende menschliche Natur steckt also tief in Sünden, daß sie dieselben nicht alle sehen oder kennen kann, und sollten wir allein von denen absolviert werden, die wir zählen können, wäre uns wenig geholfen. Deshalb ist es nicht nötig, die Leute zu drängen, die Sünde namentlich aufzuzählen. Also haben es auch die Väter gehalten, wie man findet in Dist. I. De poenitentia, wo die Worte des Chrysostomus angezogen (angeführt) werden: »Ich sage nicht, daß du dich selbst öffentlich dargeben noch bei einem andern dich selbst verklagen oder schuldig geben sollst, sondern gehorche dem Propheten, welcher spricht: Offenbare dem Herrn deine Wege. Deshalb beichte Gott, dem Herrn, dem wahrhaftigen Richter, neben deinem Gebet. Nicht sage deine Sünden mit der Zunge, sondern in deinem Gewissen.« Hier sieht man klar, daß Chrysostomus nicht zwingt, die Sünden namentlich aufzuzählen. So lehrt auch die Glosse zu dem [genannten] Dekret De poenitentia Dist. 5,1, daß die Beichte nicht durch die Schrift geboten, sondern durch die Kirche eingesetzt sei. Doch wird durch die Prediger dieses Teils (bei uns) fleißig gelehrt, daß die Beichte wegen der Absolution, welche das Hauptstück und das Vornehmste darin ist, zum Trost der erschrockenen Gewissen, dazu um etlicher anderer Ursache willen, beizubehalten sei.

 

26. Vom Unterschied der Speisen

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   Vorzeiten hat man also gelehrt, gepredigt und geschrieben, daß Unterschied der Speisen und dergleichen Tradition, von Menschen eingesetzt, dazu dienen, daß man dadurch Gnade verdiene und für die Sünde genugtue. Aus diesem Grunde hat man täglich neue Fasten, neue Zeremonien, neue [Mönchs]Orden und dergleichen erdacht und auf solches heftig und hart getrieben (gedrängt), als seien solche Dinge nötige Gottesdienste, wodurch man Gnade verdiene, wenn man?s halte, und große Sünde geschehe, wenn man?s nicht halte. Daraus sind viele schädliche Irrtümer in der Kirche gefolgt.

   Erstens ist dadurch die Gnade Christi und die Lehre vom Glauben verdunkelt, welche uns das Evangelium mit großem Ernst vorhält, und es treibt (drängt) hart darauf, daß man das Verdienst Christi hoch und teuer achte und wisse, daß Glauben an Christus hoch und weit über alle Werke zu setzen sei. Deshalb hat St. Paulus heftig wider das Gesetz Moses und menschliche Tradition gefochten, damit wir lernen sollen, daß wir vor Gott nicht fromm werden aus unseren Werken, sondern allein durch den Glauben an Christus, daß wir um Christi willen Gnade erlangen. Solche Lehre ist dadurch schier (beinahe) ganz erloschen, daß man gelehrt hat, Gnade zu verdienen mit festgesetztem Fasten, Unterschied der Speise, Kleidern etc.

   Zum anderen haben solche Traditionen auch Gottes Gebot verdunkelt; denn man setzte diese Traditionen weit über Gottes Gebot. Dies hielt man allein für christliches Leben: wer die Feier also hielt, also betete, also fastete, also gekleidet war, das nannte man geistliches, christliches Leben. Daneben hielt man andere nötige gute Werke für ein weltliches, ungeistliches Wesen, nämlich diese, die jeder nach seinem Beruf zu tun schuldig ist, wie z. B.; daß der Hausvater arbeitet, um Weib und Kind zu ernähren und zur Gottesfurcht aufzuziehen, die Hausmutter Kinder gebiert und ihrer wartet, ein Fürst und Obrigkeit Land und Leute regiert etc. Solche Werke, von Gott geboten, mussten ein weltliches und unvollkommenes Wesen sein; aber die Traditionen mußten den prächtigen Namen haben, daß sie allein heilige, vollkommene Werke hießen. Deshalb war kein Maß noch Ende, solche Traditionen zu machen.

   Zum dritten, solche Traditionen sind zu hoher Beschwerung der Gewissen geraten. Denn es war nicht möglich, alle Traditionen zu halten, und doch waren die Leute der Meinung, als wäre solches ein nötiger Gottesdienst. Und Gerson (gest. 1429) schreibt, daß viele hiermit in Verzweiflung gefallen [seien], etliche haben sich auch selbst umgebracht, deshalb, weil sie keinen Trost von der Gnade Christi gehört haben. Denn wie die Gewissen verwirrt wurden, sieht man bei den Summisten und Theologen, welche sich unterstanden haben, die Traditionen zusammenzuziehen, und Äquität (rechtes Maß) gesucht [haben], daß sie den Gewissen hülfen; sie haben so viel damit zu tun gehabt, daß derweil alle heilsame christliche Lehre von nötigeren Sachen, wie vom Glauben, vom Trost in hohen Anfechtungen und dergleichen, daniedergelegen ist. Darüber haben auch viele fromme, gelehrte Leute vor dieser Zeit sehr geklagt, daß solche Traditionen viel Zank in der Kirche anrichten, und daß fromme Leute, damit verhindert, nicht zur rechten Erkenntnis Christi kommen konnten. Gerson und etliche mehr haben heftig darüber geklagt. Ja, es hat auch Augustinus mißfallen, daß man die Gewissen mit so viel Traditionen beschwert [hat]. Deshalb gibt er dabei Unterricht, daß man´s nicht für nötige Dinge halten soll

   Darum haben die Unsern nicht aus Frevel oder Verachtung geistlicher Gewalt von diesen Sachen gelehrt, sondern es hat die hohe Not gefordert, von obangezeigten Irrtümern Unterricht zu tun, welche aus Mißverstand der Tradition gewachsen sind. Denn das Evangelium zwingt dazu, daß man in der Kirche die Lehre vom Glauben treiben soll und muß, welche doch nicht verstanden werden kann, wenn man meint, durch eigene gewählte Werke Gnade zu verdienen.

   Und davon ist also gelehrt, daß man durch das Halten gedachter menschlicher Traditionen nicht Gnade verdienen oder Gott versöhnen oder für die Sünde genugtun kann. Und es soll deshalb kein nötiger Gottesdienst daraus gemacht werden

   Dazu wird Ursache aus der Schrift angezogen (angeführt):

   Christus entschuldigt Matth. 15, 3.9 die Apostel, die gewöhnliche Traditionen nicht gehalten haben, und spricht dabei: »Sie ehren mich vergeblich mit Menschengeboten.« So er nun dies einen vergeblichen Dienst nennt, muß er nicht nötig sein. Und bald hernach: »Was zum Munde eingehet, verunreiniget den Menschen nicht.« Item Paulus spricht Röm. 14, 17: »Das Himmelreich stehet nicht in Speise oder Trank.« Kol. 2, 16: »Niemand soll euch richten in Speise, Trank, Sabbat« usw. Act. 15, 10 spricht Petrus: »Warum versucht ihr Gott mit Auflegung des Jochs auf der Jünger Hälse, welches weder unsere Väter noch wir haben mögen tragen? Sondern wir glauben durch die Gnade unsers Herrn Jesu Christi selig zu werden.« Da verbietet Petrus, daß man die Gewissen nicht beschweren soll mit mehr äußerlichen Zeremonien, es sei Moses oder andern. Und 1 Tim. 4, 1-3 werden solche Verbote, als Speise verbieten, Ehe verbieten usw., Teufelslehren genannt. [*Denn also lauten St. Paulus' Worte: »Der Geist aber sagt deutlich, daß in den letzten Zeiten werden etliche von dem Glauben abtreten und anhangen den verführerischen Geistern und Lehren der Teufel durch die, so in Gleisnerei Lügenredner sind und Brandmal in ihrem Gewissen haben und verbieten, ehelich zu werden und zu meiden die Speise, die Gott geschaffen hat, zu nehmen mit Danksagung, den Gläubigen und denen, die die Wahrheit erkannt haben.«] Denn dies ist stracks dem Evangelio entgegen, solche Werke, einsetzen oder tun, daß man damit Vergebung der Sünden verdiene, oder als möge niemand [ein] Christ sein ohne solche Dienste.

   Daß man aber den Unsern hier Schuld gibt, als verböten sie Kasteiung und Zucht, wie Jovinianus, wird sich viel anders aus ihren Schriften befinden. Denn sie haben allezeit gelehrt vom heiligen Kreuz, daß Christen zu leiden schuldig sind; und dieses ist rechte, ernstliche und nicht erdichtete Kasteiung.

   Daneben wird auch gelehrt, daß ein jeglicher schuldig ist, sich mit leiblicher Übung, wie Fasten und anderer Arbeit, so zu halten, daß er nicht Ursache zu Sünden gebe, [aber] nicht daß er mit solchen Werken Gnade verdiene. Diese leibliche Übung soll nicht allein etliche bestimmte Tage, sondern stetig getrieben werden.

   Davon redet Christus Luk. 21, 34: »Hütet euch, daß eure Herzen nicht beschweret werden mit Völlerei!« Item Matth. 17, 21: »Die Teufel werden nicht ausgeworfen denn durch Fasten und Gebet.« Und Paulus spricht 1 Kor. 9, 27, er kasteie seinen Leib und bringe ihn zum Gehorsam, damit [womit] er anzeigt, daß Kasteiung dienen soll, nicht damit Gnade zu verdienen, sondern den Leib geschickt zu halten, daß er nicht verhindere, was einem jeglichen nach seinem Beruf zu schaffen befohlen ist. Und wird also nicht das Fasten verworfen, sondern daß man einen nötigen Dienst daraus auf bestimmte Tage und Speisen zur Verwirrung der Gewissen gemacht hat.

   Auch werden dieses Teils (bei uns) viele Zeremonien und Traditionen gehalten, wie: Ordnung der Messe und andere Gesänge, Feste etc., welche dazu dienen, daß in der Kirche Ordnung gehalten werde. Daneben aber wird das Volk unterrichtet, daß solcher äußerlicher Gottesdienst nicht fromm macht vor Gott, und daß man es ohne Beschwerung des Gewissens halten soll, so daß, wenn man es unterlässt ohne Ärgernis, nicht daran gesündigt wird. Diese Freiheit in äußerlichen Zeremonien haben auch die alten Väter gehalten.

   Denn im Orient hat man das Osterfest auf andere Zeit dann zu Rom gehalten. Und da etlich diese Ungleichheit für eine Trennung in der Kirche halten wollten, sind sie vermahnt von andern, daß nicht Not ist, in solchen Gewohnheiten Gleichheit zu halten. Und spricht Irenaeus also: »Ungleichheit im Fasten trennt nicht die Einigkeit des Glaubens.« Wie auch distinct. 12. von solcher Ungleichheit in menschlichen Ordnungen geschrieben, daß sie der Einigkeit der Christenheit nicht zuwider sei. Und Tripartita Hist., lib. 9, zieht zusammen viel ungleiche Kirchengewohnheiten und setzt einen nützlichen christlichen Spruch: »Der Apostel Meinung ist nicht gewesen, Feiertage einzusetzen, sondern Glauben und Liebe zu lehren.«

 

27. Von Klostergelübden

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   Von Klostergelübden zu reden ist notwendig, erstens, um zu bedenken, wie es bisher damit gehalten [wurde], welches Wesen (welche Zustände) in Klöstern gewesen und daß sehr viel darin täglich nicht allein wider Gottes Wort, sondern auch päpstlichen Rechten zuwider gehandelt ist. Denn zu St. Augustins Zeiten sind Klosterstände frei gewesen; später, da die rechte Zucht und Lehre zerrüttet [war], hat man Klostergelübde erdacht und damit eben als mit einem erdachten Gefängnis die Zucht wiederum aufrichten wollen.

   Überdies hat man neben den Klostergelübden viele andere Stücke mehr aufgebracht und mit solchen Banden und Beschwerden ihrer viele, auch vor gebührenden Jahren, beladen. So sind auch viele Personen aus Unwissenheit zu solchem Klosterleben gekommen, welche, wiewohl sie sonst nicht zu jung gewesen [sind], doch ihr Vermögen (ihre Fähigkeiten) nicht genug ermessen noch verstanden haben. Dieselben alle, also verstrickt und verwickelt, sind gezwungen und gedrungen gewesen, in solchen Banden zu bleiben, ungeachtet dessen, daß auch das päpstliche Recht ihrer viele freigibt. Und das ist in Jungfrauenklöstern noch beschwerlicher gewesen als in Mönchsklöstern, während sich doch geziemt hätte, die Weibsbilder als die Schwachen zu verschonen. Dieselbe Strenge und Härte hat auch vielen frommen Leuten in Vorzeiten mißfallen; denn sie haben wohl gesehen, daß beide, Knaben und Mädchen, um Erhaltung des Leibes willen (zur Versorgung) in die Klöster gesteckt worden sind. Sie haben auch wohl gesehen, wie übel dasselbe Vornehmen geraten ist, was für Ärgernis, was für Beschwerung der Gewissen es gebracht [hat], und viele Leute haben geklagt, daß man in solcher gefährlichen Sache die Canones so gar nicht geachtet [hat]. Zudem so hat man eine solche Meinung von den Klostergelübden, die unverborgen (offensichtlich) auch vielen Mönchen übel gefallen hat, die ein wenig Verstand gehabt haben.

   Denn sie gaben vor, daß Klostergelübde der Taufe gleich wären und daß man mit dem Klosterleben Vergebung der Sünden und Rechtfertigung vor Gott verdiene. Ja, sie setzten noch mehr dazu, daß man mit dem Klosterleben nicht allein Gerechtigkeit und Frömmigkeit verdiente, sondern auch, daß man damit die Gebote und Räte, im Evangelium verfaßt, hielte, und also wurden die Klostergelübde höher gepriesen als die Taufe; ferner, daß man mit dem Klosterleben mehr verdiente als mit allen anderen Ständen, die von Gott sind, wie Pfarrer- und Predigerstand, Obrigkeit-, Fürsten-, Herrenstand und dergleichen, die alle nach Gottes Gebot, Wort und Befehl ihrem Beruf ohne erdichtete Geistlichkeit dienen; wie denn keins dieser Stücke verneint werden kann, denn man findet?s in ihren eigenen Büchern. Überdies, wer also gefangen und ins Kloster gekommen [war], lernte wenig von Christus ...

(Im folgenden wird dargelegt, daß Klostergelübde Gottes Schöpfungsordnung nicht aufheben können, die lautet: »Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen« (Gen 2, 8). Jeder Mensch hat daher das Recht und die Möglichkeit zu heiraten; und das Gelübde ewiger Keuschheit, zumal wenn es zu früh und nicht in völliger Freiheit abgelegt wird, ist nicht bindend. Ferner wird noch einmal betont, daß der Mensch durch das Halten von Klostergelübden keine Gerechtigkeit vor Gott erwerben kann. Da dies jedoch normalerweise das Ziel ist, schmälern die Gelübde die Gnade Christi und wenden sich gegen Gottes Gebot.)

   Etwa [vorzeiten] hat man Schulen der Heiligen Schrift und anderer Künste, so der christlichen Kirche dienstlich sind, in den Klöstern gehalten, daß man aus den Klöstern Pfarrherren und Bischöfe genommen hat; jetzt aber hat's viel eine andere Gestalt. Denn vorzeiten kamen sie der Meinung zusammen im Klosterleben, daß man die Schrift lerne. Jetzt geben sie vor, das Klosterleben sei ein solch Wesen, daß man Gottes Gnaden und Frömmigkeit vor Gott damit verdiene, ja, es sei ein Stand der Vollkommenheit, und setzten's den andern Ständen, so von Gott eingesetzt, weit vor. Das alles wird darum angezogen, ohne alle Verunglimpfung, damit man je desto bass [besser] vernehmen und verstehen möge, was und wie die Unsern predigen und lehren.

   Erstlich lehren sie bei uns von denen, die zur Ehe greifen also, daß alle die, so zum ledigen Stand nicht geschickt sind, Macht, Fug und Recht haben, sich zu verehelichen. Denn die Gelübde vermögen nicht Gottes Ordnung und Gebot aufzuheben. Nun lautet Gottes Gebot also 1 Kor. 7, 2: »Um der Hurerei willen habe ein jeglicher sein eigen Weib, und eine jegliche habe ihren eigenen Mann.« Dazu dringt, zwingt und treibt nicht allein Gottes Gebot, sondern auch Gottes Geschöpf und Ordnung alle die zum Ehestand, die ohne sonderes [besonderes] Gotteswerk mit der Gabe der Jungfrauschaft nicht begnadet sind, laut dieses Spruchs Gottes selbst Gen. 2, 18: »Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; wir wollen ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei.« Was mag man nun dawider aufbringen? Man rühme das Gelübde und Pflicht, wie hoch man wolle, an mutze es auf, als [so] hoch man kann, so mag [kann] man dennoch nicht erzwingen, daß Gottes Gebot dadurch aufgehoben werde. Die Doctores sagen, daß die Gelübde, auch wider des Papsts Recht, unbündig [nicht verbindlich] sind, wieviel weniger sollen sie denn binden, Statt und Kraft haben wider Gottes Gebot!

   Wo die Pflichten der Gelübde keine anderen Ursachen hätten, daß sie möchten aufgehoben werden, so hätten die Päpste auch nicht dawider dispensiert oder erlaubt. Denn es gebührt keinem Menschen die Pflicht, so aus göttlichen Rechten herwächst, zu zerreißen. Darum haben die Päpste wohl bedacht, daß in dieser Pflicht eine Aequitaet (Billigkeit) soll gebraucht werden, und haben zum erstenmal dispensiert, als, mit einem Könige von Aragonien und vielen andern. So man nun zur Erhaltung zeitlicher Dinge dispensiert hat, soll viel billiger dispensiert werden um Notdurft willen der Seelen.

   Folgends [ferner], warum treibt der Gegenteil so hart, daß man die Gelübde halten muß, und sieht nicht zuvor an, ob das Gelübde seine Art habe? Denn das Gelübde soll in möglichen Sachen willig und ungezwungen sein. Wie aber die ewige Keuschheit in des Menschen Gewalt und Vermögen stehe, weiß man wohl; auch sind wenig, beide Manns- und Weibspersonen, die von ihnen selbst, willig und wohlbedacht, das Klostergelübde getan haben. Ehe sie zum rechten Verstand kommen, so überredet man sie zum Klostergelübde; zuweilen werden sie auch dazu gezwungen und gedrungen. Darum ist es je nicht billig, daß man so schwind [scharf] und hart von der Gelübdepflicht disputiere, angesehen, daß sie alle bekennen, daß solches wider die Natur und Art des Gelübdes ist, daß es nicht willig und mit gutem Rat und Bedacht gelobt wird. Etliche Canones und päpstliche Rechte zerreißen die Gelübde, die unter fünfzehn Jahren geschehen sind. Denn sie halten's dafür, daß man vor derselben Zeit so viel Verstandes nicht hat, daß man die Ordnung des ganzen Lebens, wie dasselbe anzustellen, beschließen könne. Ein anderer Kanon gibt der menschlichen Schwachheit noch mehr Jahre zu; denn er verbietet, das Klostergelübde unter achtzehn Jahren zu tun. Daraus hat der meiste Teil Entschuldigung und Ursachen, aus den Klöstern zu gehen; denn sie des mehreren Teils in der Kindheit vor diesen Jahren in Klöster gekommen sind.

   Endlich, wenngleich die Verbrechung [das Brechen] des Klostergelübdes möchte getadelt werden, so könnte aber dennoch nicht daraus folgen, daß man derselben Ehe zerreißen sollte. Denn St. Augustinus sagt 27.quaest., 1.cap., Nuptiarum, daß man solche Ehe nicht zerreißen soll. Nun ist je St. Augustin nicht in geringen Ansehen in der christlichen Kirche, obgleich etliche hernach anders gehalten [haben].

   Wiewohl nun Gottes Gebot von dem Ehestande ihrer sehr viele vom Klostergelübde frei und ledig gemacht [hat], so wenden doch die Unsern noch mehr Ursachen vor, daß Klostergelübde nichtig und unbündig seien. Denn aller Gottesdienst, von den Menschen ohne Gottes Gebot und Befehl eingesetzt und erwählt, Gerechtigkeit und Gottes Gnade zu erlangen, sei wider Gott und dem Evangelio und Gottes Befehl entgegen; wie denn Christus selbst sagt Matth. 15, 9: »Sie dienen mir vergebens mit Menschengeboten.« So lehret's auch St. Paulus überall, daß man Gerechtigkeit nicht soll suchen aus unsern Geboten und Gottesdiensten, so von Menschen erdichtet sind, sondern daß Gerechtigkeit und Frömmigkeit vor Gott kommt aus dem Glauben und Vertrauen, daß wir glauben, daß uns Gott um seines einigen Sohnes Christus willen zu Gnaden annimmt.

   Nun ist es je am Tage, daß die Mönche gelehrt und gepredigt haben, daß die erdachte Geistlichkeit genugtue für die Sünde und Gottes Gnade und Gerechtigkeit erlange. Was ist nun dies anders, denn die Herrlichkeit und Preis der Gnade Christi vermindern und die Gerechtigkeit des Glaubens verleugnen? Darum folgt aus dem, daß solche gewöhnliche Gelübde unrechte, falsche Gottesdienste gewesen [sind]. Derhalben sind sie auch unbündig. Denn ein gottlos Gelübde, und das wider Gottes Gebot geschehen, ist unbündig und nichtig; wie auch die Canones lehren, daß der Eid nicht soll ein Band zur Sünde sein.

   St. Paulus sagt zu den Galatern am 5,4: »Ihr seid ab von Christ, die ihr durch das Gesetz rechtfertig werden wollt, und habt der Gnade gefehlt.« Derhalben auch die, so durch Gelübde wollen rechtfertig werden, sind von Christo ab und fehlen der Gnade Gottes. Denn dieselben rauben Christo seine Ehre, der allein gerecht macht, und geben solche Ehre ihren Gelübden und Klosterleben.

   Man kann auch nicht leugnen, daß die Mönche gelehrt und gepredigt haben, daß sie durch ihre Gelübde und Klosterwesen Weise und Gerecht werden und Vergebung der Sünden verdienen; ja, sie haben noch wohl ungeschicktere Dinge erdichtet und gesagt, daß sie ihre guten Werke den andern mitteilen. Wenn nun einer dies alles wollte unglimpflich treiben und aufmutzen, wie viele Stücke könnte er zusammenbringen, deren sich die Mönche jetzt selbst schämen und nicht wollen getan haben! Über das alles haben sie auch die Leute überredet, daß die erdichteten geistlichen Ordenstände sind christliche Vollkommenheit [*daß die erdichteten geistlichen Orden Stände sind christliche Vollkommenheit]. Dies ist ja die Werke rühmen, daß man dadurch gerecht werde. Nun ist es nicht ein geringes Ärgernis in der christlichen Kirche, daß man dem Volk einen solchen Gottesdienst vorträgt, den die Menschen ohne Gottes Gebot erdichtet haben, und lehren, daß ein solcher Gottesdienst die Menschen vor Gott fromm und gerecht macht. Denn Gerechtigkeit des Glaubens, die man am meisten in der Kirche treiben soll, wird verdunkelt, wenn den Leuten die Augen aufgesperrt werden mit dieser seltsamen Engelsgeistlichkeit und falschem Vorgeben der Armut, Demut und Keuschheit.

   Überdies werden auch die Gebote Gottes und der rechte und wahre Gottesdienst dadurch verdunkelt, wenn die Leute hören, daß allein die Mönche im Stande der Vollkommenheit sein sollen. Denn die christliche Vollkommenheit ist, daß man Gott von Herzen und mit Ernst fürchtet, und doch auch eine herzliche Zuversicht und Glauben, auch Vertrauen faßt, daß wir um Christi willen einen gnädigen, barmherzigen Gott haben, daß wir von Gott bitten und begehren können und sollen, was uns Not ist, und Hilfe von ihm in allen Trübsalen gewißlich, nach eines jeden Beruf und Stand erwarten, daß wir auch indes mit Fleiß äußerlich gute Werke tun und unseres Berufs warten (ihn ausüben) sollen. Darin besteht die rechte Vollkommenheit und der rechte Gottesdienst, nicht in Betteln oder in einer schwarzen oder grauen Kappe.

(Im folgenden wird aufgezeigt, wie das Volk durch diese Vollkommenheitslehre zu völlig falschen Vorstellungen über Gottes Gebot gekommen ist.)

   Aber das gemeine Volk faßt viel schädlich Meinungen aus falschem Lob des Klosterlebens. So sie es hören, daß man den ledigen Stand ohne alle Maßen lobt folgt, daß es mit beschwertem Gewissen im Ehestand ist. Denn daraus, so der gemeine Mann hört, daß die Bettler allein sollen vollkommen sein, kann er nicht wissen, daß er ohne Sünde Güter haben und hantieren möge. So das Volk hört, es sei nur ein Rat, nicht Rache üben, folgt, daß etliche vermeinen, es sei nicht Sünde, außerhalb des Amtes Rache zu üben. Etliche meinen, Rache gezieme den Christen gar nicht, auch nicht der Obrigkeit.

   Man liest auch der Exempel viele, daß etlich Weib und Kind, auch ihr Regiment verlassen und sich in Klöster gesteckt haben. Dasselbe, haben sie gesagt, heißt aus der Welt fliehen und ein solch Leben suchen, das Gott bass [besser] gefiele denn der andern Leben. Sie haben auch nicht können wissen, daß man Gott dienen soll in den Geboten, die er gegeben hat, und nicht in den Geboten, die von Menschen erdichtet sind.

   Nun ist ja das ein guter und vollkommener Stand des Lebens, welcher Gottes Gebot für sich hat; das aber ist ein gefährlicher Stand des Lebens, welcher Gottes Gebot nicht für sich hat. Von solchen Sachen ist es vonnöten gewesen den Leuten guten Bericht zu tun. So viele gottlose Meinungen und Irrtümer kleben an den Klostergelübden: daß sie rechtfertigen und fromm vor Gott machen sollen, daß sie die christliche Vollkommenheit sein sollen, daß man damit beide, des Evangeliums Räte und Gebote, halte, und daß sie die Übermaßwerke haben, die man Gott nicht schuldig sei. Weil denn solches alles falsch, eitel und erdichtet ist, so macht es auch die Klostergelübde nichtig und unbündig (nicht bindend).

 

28. Von der Bischöfe Gewalt

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   Von der Bischöfe Gewalt ist vorzeiten viel und mancherlei geschrieben [worden], und etliche haben unschicklich die Gewalt der Bischöfe und das weltliche Schwert untereinandergemengt, und es sind aus diesem unordentlichen Gemenge sehr große Kriege, Aufruhr und Empörung erfolgt, aus dem, daß die Bischöfe im Schein ihrer Gewalt, die ihnen von Christus gegeben, nicht allein neue Gottesdienste angerichtet haben und mit Vorbehalt etlicher Fälle und mit gewaltsamem Bann die Gewissen beschwert, sondern sich auch unterwunden [haben], Kaiser und Könige zu setzen und zu entsetzen nach ihrem Gefallen; welchen Frevel auch lange Zeit hiervor gelehrte und gottesfürchtige Leute in der Christenheit gestraft haben. Deshalb sind die Unsern zum Trost der Gewissen gezwungen worden, den Unterschied der geistlichen und weltlichen Gewalt, Schwertes und Regimentes anzuzeigen, und haben gelehrt, daß man beide Regimente und Gewalten, um Gottes Gebots willen mit aller Andacht ehren und wohl halten soll als zwei höchste Gaben Gottes auf Erden.

   Nun lehren die Unsern also, daß die Gewalt der Schlüssel oder der Bischöfe sei, laut des Evangeliums: eine Gewalt (Vollmacht) und ein Befehl Gottes, das Evangelium zu predigen, die Sünde zu vergeben und zu behalten, und die Sakramente zu reichen und zu handeln (vollziehen). Denn Christus hat die Apostel mit diesem Befehl ausgesandt Joh 20,21-23: »Gleichwie mich mein Vater gesandt hat, also sende ich euch auch. Nehmet hin den heiligen Geist! Welchen ihr ihre Sünden erlassen werdet, denselben sollen sie erlassen sein, und denen ihr sie vorbehalten werdet, denen sollen sie vorbehalten sein«.

   Diese Gewalt der Schlüssel oder der Bischöfe übt und treibt man allein mit der Lehre und Predigt des Wortes Gottes und mit Handreichung der Sakramente gegenüber vielen oder einzelnen Personen, danach der Beruf ist (je nach Auftrag). Denn damit werden gegeben nicht leibliche, sondern ewige Dinge und Güter, als nämlich ewige Gerechtigkeit, der Heilige Geist und das ewige Leben. Diese Güter kann man anders nicht erlangen, als durch das Amt der Predigt und durch die Handreichung der heiligen Sakramente. Denn St. Paulus spricht (Röm 1,16): »Das Evangelium ist eine Kraft Gottes, selig zu machen alle, die daran glauben.« Weil nun die Gewalt der Kirche oder Bischöfe ewige Güter gibt und sie allein durch das Predigtamt geübt und getrieben wird, so hindert sie die Polizei und das weltliche Regiment in keiner Weise. Denn das weltliche Regiment geht mit viel anderen Sachen um als das Evangelium; die weltliche Gewalt schützt nicht die Seele, sondern Leib und Gut wider äußerliche Gewalt mit dem Schwert und leiblichen Penen (Strafen).

   Darum soll man die zwei Regimente, das geistliche und weltliche, nicht ineinander mengen und werfen. Denn die geistliche Gewalt hat ihren Befehl, das Evangelium zu predigen und die Sakramente zu reichen; sie soll auch nicht in ein fremdes Amt fallen, soll nicht Könige setzen und entsetzen, soll weltliches Gesetz und Gehorsam der Obrigkeit gegenüber nicht aufheben oder zerrütten, soll weltlicher Gewalt nicht Gesetze von weltlichen Händeln machen und aufstellen, wie denn auch Christus selbst gesagt hat (Joh 18, 36): »Mein Reich ist nicht von dieser Welt« Item Luk. 12, 14: »Wer hat mich zu einem Richter zwischen euch gesetzt?« Und St. Paulus zu den Philippern am 3, 20: »Unsere Bürgerschaft ist im Himmel.« Und in der zweiten zu den Korinthern, 10, 4: »Die Waffen unserer Ritterschaft sind nicht fleischlich, sondern mächtig vor Gott, zu verstören die Anschläge und alle Höhe, die sich erhebt wider die Erkenntnis Gottes.«

   Diesergestalt unterscheiden die Unsern die Ämter beider Regimente und Gewalten und heißen sie beide als die höchsten Gaben Gottes auf Erden in Ehren halten.

   Wo aber die Bischöfe weltliches Regiment und Schwert haben, so haben sie dieselben nicht als Bischöfe aus göttlichen Rechten, sondern aus menschlichen, kaiserlichen Rechten, geschenkt von römischen Kaisern und Königen, zu weltlicher Verwaltung ihrer Güter, und das geht das Amt des Evangeliums gar nichts an.

   Deshalb ist das bischöfliche Amt nach göttlichen Rechten: das Evangelium predigen, Sünde vergeben, Lehre beurteilen und die Lehre, die dem Evangelium entgegen [ist], verwerfen und die Gottlosen, deren gottloses Wesen offenbar ist, aus der christlichen Gemeinde ausschließen, ohne menschliche Gewalt, sondern allein durch Gottes Wort. Und in diesen Fällen sind die Pfarrleute und Kirchen schuldig, den Bischöfen gehorsam zu sein, laut dieses Spruches Christi Lk in 10,16: »Wer euch hört, hört mich.« Wo sie aber etwas dem Evangelium entgegen lehren, setzen oder aufrichten, haben wir Gottes Befehl in solchem Fall, daß wir nicht gehorsam sein sollen, Mt 7,15: »Seht euch vor vor den falschen Propheten.« Und St. Paulus Gal 1, 8: »Wenn auch wir oder ein Engel vom Himmel euch ein anderes Evangelium predigen würde, als das wir euch gepredigt haben, der sei verflucht.« ... Und St. Augustin schreibt in der Epistel wider Petilianum: »Man soll auch den Bischöfen, die ordentlich gewählt [sind], nicht folgen, wo sie irren oder etwas wider die heilige göttliche Schrift lehren oder ordnen. «

(Im folgenden werden kirchliche Rechtsordnungen behandelt, wie Ehegerichtsbarkeit, Speise- und Fastenregeln, Feiertage, Einführung neuer Heiliger etc. Zwar haben die Bischöfe die Aufgabe, der Kirche eine Ordnung zu geben; doch das soll in christlicher Freiheit geschehen und nicht so, daß die Gewissen dadurch belastet werden.)

   Daß aber die Bischöfe sonst Gewalt und Gerichtszwang haben in etlichen Sachen, als nämlich Ehesachen oder Zehnten, dieselben haben sie aus Kraft menschlicher Rechte. Wo aber die Ordinarien nachlässig in solchem Amt, so sind die Fürsten schuldig, sie tun' s auch gern oder ungern, hierin ihren Untertanen um Friedens willen Recht zu sprechen, zu[r] Verhütung Unfriedens und großer Unruhe in Ländern.

   Weiter disputiert man, ob auch Bischöfe Macht haben, Zeremonien in der Kirche aufzurichten, desgleichen Satzungen von Speisen, Feiertagen, von unterschiedlichen Orden der Kirchendiener. Denn die den Bischöfen diese Gewalt geben, ziehen diesen Spruch Christi an, Joh. 16, 12: »Ich habe euch noch viel zu sagen, ihr aber könnet' s jetzt nicht tragen; wenn aber der Geist der Wahrheit kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit führen.« Dazu führen sie auch das Exempel Actorum an 15, 20. 29, da sie Blut und Ersticktes verboten haben. So zieht man auch das an, daß der Sabbat in Sonntag verwandelt ist worden wider die zehn Gebote, dafür sie es achten, und wird kein Exempel so hoch getrieben und angezogen als die Verwandlung des Sabbats, und wollen damit erhalten, daß die Gewalt der Kirche groß sei, dieweil sie mit den zehn Geboten dispensiert und etwas dran verändert hat.

   Aber die Unsern lehren in dieser Frage also, daß die Bischöfe nicht Macht haben, etwas wider das Evangelium zu setzen und aufzurichten; wie denn oben angezeigt ist, und die geistlichen Rechte durch die ganze neunte Distinktion lehren. Nun ist dieses öffentlich wider Gottes Befehl und Wort, der Meinung Gesetze zu machen oder zu gebieten, daß man dadurch für die Sünden genug tue und Gnade erlange. Denn es wird die Ehre des Verdienstes Christi verlästert, wenn wir uns mit solchen Satzungen unterwinden, Gnade zu verdienen. Es ist auch am Tage, daß um dieser Meinung willen in der Christenheit menschliche Aufsatzungen unzählig überhand genommen haben, und indes die Lehre vom Glauben und die Gerechtigkeit des Glaubens gar ist unterdrückt gewesen. Man hat täglich neue Feiertage, neue Fasten geboten, neue Zeremonien und neue Ehrerbietung der Heiligen eingesetzt, mit solchen Werken Gnade und alles Gute bei Gott zu verdienen.

   Item, die menschliche Satzungen aufrichten, tun auch damit wider Gottes Gebot, daß sie Sünde setzen in der Speise, in Tagen und dergleichen Dingen und beschweren also die Christenheit mit der Knechtschaft des Gesetzes, eben als müsste bei den Christen ein solcher Gottesdienst sein, Gottes Gnade zu verdienen, der gleich wäre dem levitischen Gottesdienst, welchen Gott sollte den Aposteln und Bischöfen befohlen haben aufzurichten, wie denn etliche davon schreiben; [es] steht auch wohl zu glauben, daß etliche Bischöfe mit dem Exempel des Gesetzes Moses sind betrogen worden, daher so unzählige Satzungen gekommen sind, daß [es] eine Todsünde sein soll, wenn man an Feiertagen eine Handarbeit tue, auch ohne Ärgernis der andern; daß [es] eine Todsünde sei, wenn man die Siebenzeit nachlässt; daß etliche Speisen das Gewissen verunreinigen; daß Fasten ein solch Werk sei, damit man Gott versöhne; daß die Sünde in einem vorbehaltenen Fall werde nicht vergeben, man ersuche denn zuvor den Vorbehalter des Falls, unangesehen, daß die geistlichen Rechte nicht von Vorbehaltung der Schuld, sondern von Vorbehaltung der Kirchenpoenen reden.

   Woher haben denn die Bischöfe Recht und Macht, solche Aufsätze der Christenheit aufzulegen, die Gewissen zu verstricken? Denn St. Petrus verbietet in [den] Geschichten der Apostel am 15, 10, das Joch auf der Jünger Hälse zu legen. Und St. Paulus sagt zu den Korinthern, daß ihnen die Gewalt zu bessern und nicht zu verderben gegeben sei. Warum mehren sie denn die Sünde mit solchen Aufsätzen?

   Doch hat man helle Sprüche der göttlichen Schrift, die da verbieten, solche Aufsätze aufzurichten, die Gnade Gottes damit zu verdienen, oder als sollten sie vonnöten zur Seligkeit sein. So sagt St. Paulus zu den Kolossern, 2, 16.20: »So laßt nun niemand euch Gewissen machen über Speise oder über Trank oder über bestimmte Tage, nämlich die Feiertage oder neue Monde oder Sabbate, welches ist der Schatten von dem, das zukünftig, aber der Körper selbst ist in Christo.« Item: »So ihr denn gestorben seid mit Christo von den weltlichen Satzungen, was lasset ihr euch denn fangen mit Satzungen, als wäret ihr lebendig? Die da sagen: Du sollst das nicht anrühren, du sollst das nicht essen noch trinken, du sollst das nicht anlegen, welches sich doch alles unter Händen verzehret, und sind Menschengebote und -lehren und haben einen Schein der Wahrheit. « Item, St. Paulus zu Tito am 1, 14 verbietet öffentlich, man soll nicht achten auf jüdische Fabeln und Menschengebote, welche die Wahrheit abwenden.

   So redet auch Christus selbst Matth. am 15, 14. 13 von denen, so die Leute auf Menschengebote treiben: »Laßt sie fahren; sie sind der Blinden blinde Leiter«; und verwirft solchen Gottesdienst und sagt: »Alle Pflanzen, die mein himmlischer Vater nicht gepflanzet hat, die werden ausgereutet.«

   So nun die Bischöfe Macht haben, die Kirchen mit unzähligen Aufsätzen zu beschweren und die Gewissen zu verstricken, warum verbietet denn die göttliche Schrift so oft, die menschlichen Aufsätze zu machen und zu hören? Warum nennt sie dieselben Teufelslehren? Sollte denn der Heilige Geist solches alles vergeblich verwarnt haben?

   Derhalben, dieweil solche Ordnungen, als nötig aufgerichtet, damit Gott zu versöhnen und Gnade zu verdienen, dem Evangelio entgegen sind, so ziemt sich keineswegs den Bischöfen, solche Gottesdienste zu erzwingen. Denn man muß in der Christenheit die Lehre von der christlichen Freiheit behalten, als nämlich, daß die Knechtschaft des Gesetzes nicht nötig ist zur Rechtfertigung, wie denn St. Paulus zu den Galatern schreibt am 5, 1: »So bestehet nun in der Freiheit, damit uns Christus befreiet hat, und laßt euch nicht wieder in das knechtische Joch verknüpfen! « Denn es muß je der vornehmste Artikel des Evangeliums erhalten werden, daß wir die Gnade Gottes durch den Glauben an Christum ohne unser Verdienst erlangen und nicht durch Dienst, von Menschen eingesetzt, verdienen.

   Was soll man denn halten vom Sonntag und dergleichen andern Kirchenordnungen und Zeremonien? Dazu geben die Unsern diese Antwort, daß die Bischöfe oder Pfarrherren mögen Ordnungen machen, damit es ordentlich in der Kirche zugehe, nicht damit Gottes Gnade zu erlangen, auch nicht damit für die Sünden genug zu tun oder die Gewissen damit zu verbinden, solches für nötigen Gottesdienst zu halten und es dafür zu achten, daß sie Sünde täten, wenn sie ohne Ärgernis dieselben brechen. Also hat St. Paulus zu den Korinthern, 1 Kor. 11, 5. 6, verordnet, daß die Weiber in der Versammlung ihr Haupt sollen decken; item, daß die Prediger in der Versammlung nicht zugleich alle reden, sondern ordentlich, einer nach dem andern.

   Solche Ordnung gebührt der christlichen Versammlung um der Liebe und [des] Friedens willen zu halten und den Bischöfen und Pfarrherren in diesen Fällen gehorsam zu sein und dieselben sofern zu halten, daß einer den andern nicht ärgere, damit in der Kirche keine Unordnung oder wüstes Wesen sei; doch also, daß die Gewissen nicht beschwert werden, daß man's für solche Dinge halte, die Not sein sollten zur Seligkeit, und es dafür achte, daß sie Sünde täten, wenn sie dieselben ohne der andern Ärgernis brechen; wie denn niemand sagt, daß das Weib Sünde tue, die mit bloßem Haupt ohne Ärgernis der Leute ausgeht.

   Also ist die Ordnung vom Sonntag, von der Osterfeier, von den Pfingsten und dergleichen Feier und Weise. Denn die es dafür achten, daß die Ordnung vom Sonntag für den Sabbat also nötig aufgerichtet sei, die irren sehr. Denn die Heilige Schrift hat den Sabbat abgetan und lehrt, daß alle Zeremonien des alten Gesetzes nach Eröffnung des Evangeliums mögen nachgelassen werden; und dennoch, weil vonnöten gewesen ist, einen gewissen Tag zu verordnen, auf daß das Volk wüßte, wann es zusammenkommen sollte, hat die christliche Kirche den Sonntag dazu verordnet und zu dieser Veränderung desto mehr Gefallens und Willens gehabt, damit die Leute ein Exempel hätten der christlichen Freiheit, daß man wüßte, daß weder die Haltung des Sabbats noch eines andern Tags vonnöten sei.

   Es sind viel unrichtige Disputationen von der Verwandlung des Gesetzes, von den Zeremonien des Neuen Testaments, von der Veränderung des Sabbats, welche alle entsprungen sind aus falscher und irriger Meinung, als müsste man in der Christenheit einen solchen Gottesdienst haben, der dem levitischen oder jüdischen Gottesdienst gemäß wäre, und also sollte Christus den Aposteln und Bischöfen befohlen haben, neue Zeremonien zu erdenken, die zur Seligkeit nötig wären. Dieselben Irrtümer haben sich in die Christenheit eingeflochten, da man die Gerechtigkeit des Glaubens nicht lauter und rein gelehrt und gepredigt hat. Etliche disputieren also vom Sonntag, daß man ihn halten müsse, wiewohl nicht aus göttlichen Rechten [*dennoch schier als viel als aus göttlichen Rechten], stellen Form und Maß, wie man am Feiertag arbeiten mag. Was sind aber solche Disputationes anders denn Fallstricke des Gewissens? Denn wiewohl sie sich unterstehen, menschliche Aufsätze zu lindern und epiizieren, so kann man doch keine »epieikeian« oder Linderung treffen, solange die Meinung steht und bleibt, als sollten sie vonnöten sein. Nun muß dieselbe Meinung bleiben, wenn man nichts weiß von der Gerechtigkeit des Glaubens und von der christlichen Freiheit.

   Die Apostel haben geheißen, man solle sich enthalten des Blutes und [des] Erstickten. Wer hält' s aber jetzo? Aber dennoch tun die keine Sünde, die es nicht halten; denn die Apostel haben auch selbst die Gewissen nicht wollen beschweren mit solcher Knechtschaft, sondern haben's um Ärgernisses willen eine Zeitlang verboten. Denn man muss Achtung haben in dieser Satzung auf das Hauptstück christlicher Lehre, das durch dieses Dekret nicht aufgehoben wird.

   Man hält schier keine alten Canones, wie sie lauten; es fallen auch derselben Satzungen täglich viele weg, auch bei denen, die solche Aufsätze allerfleißigst halten. Da kann man den Gewissen nicht raten noch helfen, wo diese Linderung nicht gehalten wird, daß wir wissen, solche Aufsätze also zu halten, daß man's nicht dafürhalte, daß sie nötig seien, daß [es] auch den Gewissen unschädlich sei, obgleich solche Aufsätze fallen.

   Es würden aber die Bischöfe leichtlich den Gehorsam erhalten, wo sie nicht darauf drängen, diejenigen Satzungen zu halten, so doch ohne Sünde nicht mögen gehalten werden. Jetzo aber tun sie ein Ding und verbieten beide Gestalten des heiligen Sakraments; item den Geistlichen den Ehestand; nehmen niemand auf, ehe er denn zuvor einen Eid getan habe, er wolle diese Lehre, so doch ohne Zweifel dem heiligen Evangelio gemäß ist, nicht predigen. Unsere Kirchen begehren nicht, daß die Bischöfe mit Nachteil ihrer Ehren und Würden wiederum Frieden und Einigkeit machen, wiewohl solches den Bischöfen in der Not auch zu tun gebührte. Allein bitten sie darum, daß die Bischöfe etliche unbillige Beschwerungen nachlassen, die doch vorzeiten auch in der Kirche nicht gewesen und angenommen sind wider den Gebrauch der christlichen gemeinen Kirche; welche vielleicht im Anheben etliche Ursachen gehabt, aber sie reimen sich nicht zu unsern Zeiten. So ist es auch unleugbar, daß etliche Satzungen aus Unverstand angenommen sind. Darum sollten die Bischöfe der Gütigkeit sein, dieselben Satzungen zu mildern, sintemal eine solche Änderung nichts schadet, die Einigkeit christlicher Kirche zu erhalten; denn viele Satzungen, von den Menschen aufgekommen, sind mit der Zeit selbst gefallen und nicht nötig zu halten, wie die päpstlichen Rechte selbst zeugen. Kann's aber je nicht sein, [ist] es auch bei ihnen nicht zu erhalten, daß man solche menschlichen Satzungen mäßige und abtue, welche man ohne Sünde nicht kann halten, so müssen wir der Apostel Regel folgen, die uns gebietet, wir sollen Gott mehr gehorsam sein denn den Menschen.

   St. Petrus verbietet den Bischöfen die Herrschaft, als hätten sie Gewalt, die Kirchen zu zwingen, wozu sie wollten. Jetzt geht man [bei uns] nicht damit um, wie man den Bischöfen ihre Gewalt nehme, sondern man bittet und begehrt, sie wollten die Gewissen nicht zu Sünden zwingen. Wenn sie aber solches nicht tun werden und diese Bitte verachten, so mögen sie gedenken, wie sie deshalb Gott Antwort werden geben müssen, weil sie mit solcher ihrer Härtigkeit Ursache geben zu Spaltung und Schisma, das sie doch billig sollen verhüten helfen.

 

SCHLUSS

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   Dies sind die vornehmsten Artikel, die für strittig geachtet werden Denn wiewohl man viel mehr Mißbräuche und Unrichtigkeit hätte anziehen können, so haben wir doch, die Weitläuftigkeit und Länge zu verhüten, allein die vornehmsten vermeldet, daraus die andern leichtlich zu ermessen [sind]. Denn man [hat] in Vorzeiten sehr geklagt über den Ablass, über Wallfahrten, über Mißbrauch des Bannes. Es hatten auch die Pfarrer unendlich Gezänk mit den Mönchen von wegen des Beichthörens, des Begräbnisses, der Leichenpredigten [*Beipredigten] und unzähliger anderer Stücke mehr. Solches alles haben wir im besten und Glimpfs willen übergangen, damit man die vornehmsten Stücke in dieser Sache desto bass [besser] vermerken möchte. Dafür soll es auch nicht gehalten werden, daß in dem jemand ichtes zu Hass, wider oder Unglimpf geredet [daß mit dem im Bekenntnis gesagten jemand etwas zu Hass, zuwider oder zu Unglimpf geredet] oder angezogen sei, sondern wir haben allein die Stücke aufgezählt, die wir für nötig anzuziehen (anzuführen) und zu vermelden geachtet haben, damit man daraus desto besser zu vernehmen habe, daß bei uns nichts, weder mit Lehre noch mit Zeremonien, angenommen ist, das entweder der heiligen Schrift oder der allgemeinen christlichen Kirche entgegen wäre. Denn es ist ja am Tage und öffentlich, daß wir mit allem Fleiß, mit Gottes Hilfe ? ohne Ruhm zu reden ? verhütet haben, damit ja keine neue und gottlose Lehre sich in unseren Kirchen einflechte, einreiße oder überhandnehme. Die obgemeldeten Artikel haben wir dem [kaiserlichen] Ausschreiben nach übergeben wollen, zu einer Anzeigung unseres Bekenntnisses und der Unseren Lehre. Und wenn es jemand [für nötig] befinden würde, der daran Mangel hätte, dem ist man erbötig, ferneren Bericht mit Grund göttlicher heiliger Schrift zu tun.

   Eurer Kaiserlicher Majestät Untertänigste:

Johannes, Herzog zu Sachsen, Kurfürst.
Georg, Markgraf zu Brandenburg.
Ernst, Herzog zu Lüneburg.
Philipp, Landgraf zu Hessen.

Wolfgang, Fürst zu Anhalt.
Die Stadt Nürnberg.
Die Stadt Reutlingen.

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Erstellt: 21 06 05

Überarbeitet: 17 10 10, 05 05 14, 19 09 15, 14 10 19, 31 01 24